Nový Bor
(Haida)

Die zweitjüngste Stadt des Bezirkes Česká Lípa liegt am Rande des Lausitzer Gebirges etwa 8 km nördlich von Česká Lípa. Ursprünglich befand sich hier der zu Arnultovice (Arnsdorf) gehörende Meierhof Borský dvůr (Haydaer Hof), den im Jahre 1695 Petr František z Kokořova kaufte und ihn der Herrschaft Sloup (Bürgstein) einverleibte. Im Jahre 1702 wurde der bereits verlassene Meierhof parzelliert und an seiner Stelle entstand ein Dorf mit 21 Häusern, die sich nach der Übernahme der Herrschaft durch die Grafen Kinský im Jahre 1710 schnell zu entwickeln begann. Im Jahre 1713 hatte es bereits 90 Einwohner und im Jahre 1749 wurde der Bau der ersten Kapelle beendet. Die neugebaute Strasse von Česká Lípa nach Rumburk wurde von der traditionellen Zittauer Strasse, die über Sloup führte, nach Nový Bor, dessen Entwicklung der Graf Kinsky unterstützte, verlegt. Im Jahre 1757 gründete Graf Kinsky hier die erste Weberei und schon am 26. Februar erhöhte die Kaiserin Marie Therese das Dorf zu einem freien unbefestigten Markt. In einer sehr kurzen Zeit konzentrierte sich hier die Glasverarbeitung und der Verkauf des Glases aus den Glashütten der Umgebung. Im Jahre 1754 entstand hier die erste Glasverkaufsgesellschaft, die bis 1835 ihre Wirksamkeit entfalten konnte und der Stadt zur mit ihrem Glase zur Weltberühmtheit verholf.

An einer Ecke des Marktplatzes wurde in den Jahren 1747 - 1749 eine kleinere Kirche Marias Himmelfahrt gebaut, die in den Jahren 1786 - 1788 vom Baumeister J. V. Kosch in ihre gegenwärtige Form umgebaut wurde; 1893 wurden nur unwesentliche Veränderungen durchgeführt. Sie stellt einen spätbarocken Zentralbau mit einem Turm dar, dessen Zwiebeldach mit zwei Laternen ausgestattet ist. An das ovale, mit einer Lünettenwölbung abgeschlossene Kirchenschiff schliesst sich der halbkreisförmige Altarraum mit zwei Balkonen an. Auf dem Chor befindet sich eine Rokoko-Orgel mit einer Engel-Kapelle, die aus der Prager Kirche des hl. Karl Boromäus hierher gebracht wurden. Die klassizistische Ausstattung stammt vom Ende des 18. Jahrhunderts, der Hauptaltar mit seiner platischen Ausstattung von I. M. Platzer ist aus dem Jahre 1792. An den Seitenaltären arbeitete der Bildhauer Anton Max aus Sloup (1793), auch die Kanzel ist sein Werk. Das Christusbild ist eine von Václav Mánes stammende Kopie des Originals aus dem St. Petersdom in Rom. Das Taufbecken mit einer Statue Johannes des Täufers entstand am Ende des 18. Jahrhunderts. Die Innenausstattung wird ergänzt von Rokoko-Bänken, 6 Glas-Kronleuchtern aus den hiesigen Glaswerken und farbige Glasfenster mit figuralen Motiven (Johann der Täufer und die Madonna) von Karl Meltzer aus Skalice (Langenau). An der gegenüberliegenden Ecke des Marktplatzes steht der frühere herrschaftliche Schüttboden, den die Stadt im Jahre 1821 kaufte und hier Kanzleien einrichtete (seit 1893 war hier das Museum). Dieses barocke zweistöckige lange Gebäude hat ein Mansardendach, im Portale über dem Eingange mit verzierten Türpfosten sind Rokoko-Kartuschen mit dem Stadtwappen, hinter dem Eingang im Durchgang das neu eingerichtete Wappen und auf Metalltafeln neuzeitliche Bilder aus der Vergangenheit und Gegenwart der Stadt; heute ist hier der Sitz der Stadtverwaltung. Gegenüber steht das Empire-Gebäude des Museums, das im Jahre 1804 der Glashändler Johann Christoph Socher nach der Rückkehr von seinem erfolgreichen dreizehnjährigen Aufenthalt in Mexiko bauen liess; aus dieser Zeit stammt auch das Portal mit einem Anker - dem Symbol seines Exportgeschäftes. Seit 1813 war hier der Sitz einer der Exportkompanien, später wurde aus einem Bürgerhause das Glasmuseum, das im Jahre 1893 vom Fachverband der Glaswerker gegründet worden ist, hierher umgesiedelt. In der Eintrittshalle ist die Werkstatt eines Glasmalers aus dem 19. Jahrhundert installiert; über der Treppe ist eine Unterglasmalerei, die die Geschichte der Stadt symbolisiert. Die ständige Ausstellung der geschichtlichen Entwicklung der Glasindustrie in Böhmen wird regelmässig durch aktuelle Einzelausstellungen ergänzt. An der Südwestecke des Marktplatzes steht das zweistöckige Gebäude der Post, ein bedeutendes Jugendstil-Gebäude aus dem Jahre 1904. Der südöstlichen Seite des Platzes dominiert seit 1887 das weiträumige Gebäude der Schule, das an der Stelle des ursprünglichen Piaristen-Kollegiums und Gymnasiums aus dem Jahre 1763 gebaut worden ist. An vielen Stellen haben sich Empire-Bürgerhäuser erhalten können, meistens einstöckige Häuser, die um das Jahr 1800 und in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts erbaut worden sind; sie sind aus Holz, gemauert oder mit einem hölzernen Obergeschoss, oft mit dekorierten steinernen Türpfosten versehen. Im Hofe des Restaurants "Pošta" (Zur Post) befinden sich die Überreste der urpsrünglichen Poststation, deren Gebäude früher den Markt und die anliegende Strasse abschlossen. Eine Naturdenkwürdigkeit ist ein unter Naturschutz stehender, 18 Meter hoher Magnolienbaum mit einem ungewöhnlichen baumartigen Wuchs und mit einem Stammumfang von 240 cm; vor kurzem wurde ein der Öffentlichkeit zugängliches Alpinum geschaffen. Am Ostrand der Stadt an der Strasse nach Radvanec (Rodowitz) befindet sich der ausgedehnte, im Jahre 1909 gegründete, parkartig eingerichtete Waldfriedhof, in welchem am Ende des Frühlings eine grosse Zahl von Rhododendron-Sträuchern blüht. Hinter dem Friedhof steht das Denkmal der Rumburger Revolte.

Einige Hundert revoltierender Soldaten marschierten am 21. Mai 1918 von Rumburg über das Lausitzer Gebirge und nach einem Sieg im Kampf gegen eine Grenzschutz-Einheit in Arnultovice (Arnsdorf) besetzten sie Nový Bor, von wo sie über Česká Lípa nach Prag vorrücken wollten. Im Sattel unter dem Chotovický vrch (Kottowitzer oder Kasperberg) trafen sie auf eine Übermacht des Grenzschutzes, von dem sie umzingelt und nach kurzem Kampfe gefangen wurden. Am 29. Mai 1918 verurteilte das Militärtribunal in Nový Bor 21 der Anführer zum Tode, aber nur an sieben von ihnen wurden am Abend der selben Tages das Urteil vollstreckt. An der Stelle der Hinrichtung wurde im Jahre 1923 ein Denkmal errichtet, das im zweiten Weltkrieg vernichtet und entfernt wurde. Heute steht hier ein Granitdenkmal und auf dem Friedhof in der Nähe sind sieben Gräber mit den Namen der Hingerichteten.

In Nový Bor wurde Josef Jaroslav Kalina (1816 - 1847), ein talentierter tschechischer Dichter der Zeit der nationalen Wiedergeburt, und Übersetzter von Werken aus der französischen, englischen und polnischen Literatur, geboren, der allerdings schon in seiner Jugend nach Nehvizdy bei Prag übersiedelte. An seinem Geburtshause in der Kalinova ulice No. 109 befindet sich eine Gedenktafel. Ludvík Slánský (1838-1905), ein begabter Musiker aus einer hiesigen Lehrerfamilie, setzte sich in seiner Jugend als Solist des Chores der St. Veit-Katedrale in Prag durch. Er wurde Professor des Prager Konservatoriums und war seit 1870 Dirigent an der Deutschen Oper in Prag; diesen Posten hielt er ganze 30 Jahre inne. In Nový Bor wirkte auch Friedrich Egermann (1777-1864), gebürtig aus Šluknov (Schluckenau), eine bedeutender Organisator der Glasindustrie, Geschäftsmann, Technologe und Autor einer Reihe von Erfindungen, z. B. des Achatglases, des Perlmutter- und Bisquit-Emailes, des Lithyalinglases, der gelben und vor allem der roten Lasur (1832). Eine Kollektion seines Glases schenkte er auch dem Prager Nationalmuseum.

Übersichtskarte der Umgebung von Nový Bor.

Weitere Informationen

Text: Jiří Kühn; Übersetzung: Petr Kühn.