Prácheň
(Parchen)
Blick auf Prácheň von Panská skála (Herrenhausfelsen).
Foto: Jiří Kühn.
Prácheň (Parchen) liegt auf einer Hochfläche etwa 1 km östlich von Kamenický Šenov (Steinschönau) an der Hauptstrasse nach Nový Bor (Haida). Sie entstand durch Zusammenschluss der älteren Gemeinden Prácheň, Šelty (Schelten) und Emanuelsberg und ist seit 1981 ein Teil von Kamenický Šenov.
Die älteste Ansiedlung Šelty (Schelten), an der Hauptstrasse,
wurde etwa in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts gegründet, in Dokumenten
wird sie aber erst 1615 erwähnt. Ihr Name "Schelten” wurde wahrscheinlich von
einer lokalen Bezeichnung für einen unebenen steinigen Boden abgeleitet. Südlich
von Šelty zwischen dem Panská skála-Felsen (Herrenhausfelsen) und
dem Vyhlídka-Berg (Kühberg, Kühlberg) soll
1630 man die Ansiedlung Prácheň gegründet haben, deren Namen "Parchen"
offensichtlich aus einer älteren Bezeichnung für einen umfriedeten Ort abgeleitet
wurde. Vielleicht dass vor der Gründung der Ansiedlung hier eine umzäunte Viehweide
bestand.
Beide Gemeinden hatten ursprünglich ihr eigenes Dorfgericht und gehörten zur
Kamnitzer Herrschaft, die 1535 von der Scharfensteiner Herrschaft abgetrennt
wurde. Besitzer der Hierrschaft waren zuerst die von Wartenberg, dann seit 1614
die von Kinsky, denen sie bis zur Verwaltungsreform im Jahre 1850 gehörte.
Einstöckige Blockbauhäuser in der Ortsmitte.
Foto: Jiří Kühn.
Im Jahre 1713 hatte Schelten nur 8 Bauerngründe und 5 Häusler, während das sich schneller entwicklende Prácheň bereits aus 46 Häusern bestand. Ihre Einwohner ernährten sich vorwiegend mit Spinnen, Glasschleifen und Verkauf von Glasware, der bereits im Jahre 1693 urkundlich nachgewiesen ist, als die hiesigen Glashändler Georg Karsch und Lazarus Knechtel Glas nach Dänemark lieferten. Im Jahre 1724 gründete Josef Palme in Schelten die erste Kronleuchterfabrik, aus der später die berühmten Lüsterfirmen Christoph Palme in Prácheň und Reinhold Palme in Nový Bor (Haida) entstanden. Hundert Jahre später, im Jahre 1829, baute ein anderer Josef Palme in Schelten eine Steingut- und Porzellanfabrik, die bis zu ihreem Brande am Anfang des 20. Jahrhunderts in Betrieb war. Im Jahre 1908 baute Štěpán Hrdina an ihrer Stelle eine Glashütte.
Im Jahre 1833 hatten beide Ortschaften insgesamt 708 Einwohner, die sich fast ausschliesslich mit Glasveredlung und -handel beschäftigten. Nach der Auflösung der Herrschaften in der Mitte des 19. Jahrhunderts wurden beide Ansiedlungen zur Gemeinde Schelten zusammengeschlossen, die später aber eher Parchen-Schelten genannt wurde; nach dem ersten Weltkriege nahm der Name Prácheň überhand. Seit Ende des 19. Jahrhunderts wurde die Gemeide wegen ihrer günstigen Lage zu einem beliebten Erholungsort. Zum touristischen Hauptanziehungspunkt wurde der Panská skála-Felsen (Herrenhausfelsen), stark besucht waren auch die heute bereits eingegangenen Ausflugsgaststätten Vyhlídka (Kühberg-, Kühlberg-Baude), Obrázek (Bildstein) und Oberwald unter dem Gipfel des Česká skála (Tscheschkenstein).
Ein zweigeschossiges Fachwerkhaus an der Straße unterhalb der Česká skála (Tscheschkensteins).
Foto: Jiří Kühn.
Erst 1930 wurde die am nordwestlichen Abhange des Česká skála
(Tscheschkenstein) liegende Ansiedlung Emanuelsberg an Prácheň angeschlossen.
Diese Ansiedlung entstand erst im 18. Jahrhundert auf dem Gebiete der Herrschaft
Horní Libchava (Ober Liebich) und wurde nach ihrem Besitzer, dem Grosspriors
des Ordens der Malteserritter, Grafen Emanuel von Kolovrat benannt. Zum ersten
Male wird sie im Jahre 1787 erwähnt, als sie nur 4 Häuser hatte. Nach der Auflösung
der Herrschaften wurde sie mit Slunečná (Sonneberg)
vereint und erst 1930 wurde sie mit ihren damals schon 40 Häusern und 200 Einwohnern
mit Prácheň vereint. Die Einwohnerzahl der Gemeinde Prácheň wuchs dadurch auf
1279, darunter war auch eine bedeutende tschechische Minderheit, die nach dem
ersten Weltkriege durch den Zuzug von tschechischen Glasarbeitern entstanden
war. Sie erreichte im Jahre 1930 bereits 331 Menschen und deshalb war in der
Gemeinde seit den 20er Jahren auch eine tschechische Schule.
Vor dem zweiten Weltkrieg waren in Prácheň 3 Lüsterfabriken, 6 Glasraffinerien,
ein Glashütte und viele Glasveredlungewerkstätten, unter ihnen 27 Malerwerkstätten,
10 Kugler und Schleifer, 5 Gürtler und 4 Gravierwerkstätten. Ausserdem befand
sich hier eine Aluminiumwarenfabrik, eine Zinngiesserei und eine Holzschnitzerei.
Durch die Aussiedlung der deutschen Einwohner nach dem Kriege sank die Einwohnerzahl
auf etwa die Hälfte und eine Reihe von Glasveredlungswerkstätten ging ein. Die
Glashütte des Stefan Hrdina wurde als erste in der Umgebung an die Ferngasleitung
angeschlossen und wurd dann anfangs der 50er Jahre dem staatlichen Betriebe
Borské sklo einverleibt. Später wurde sie Teil des Betriebes Crystalex in Nový
Bor (Haida), stellte bis ans Ende der 90er Jahre Bleikrystallglas für die
Veredlungsanstalten in Nový Bor (Haida) her und wurde dann geschlossen. Ende
1994 begann die Glashütte Alexandra zu arbeiten, die den Rohstoff für die hiesigen
Veredlungswerkstäten herstellt. In der zweiten Hälfte der 90er Jahre wurde sie
zwar von einem Brande betroffen, aber die Produktion konnte bald wieder aufgenommen
werden.
Kirche St. Laurentius.
Foto: Jiří Kühn.
In der Mitte der Gemeinde steht die spätbarocke Kirche zum hl. Laurentius, die
in den jahren 1780-1782 vom Baumeister Wenzel Kosch aus Děčín (Tetschen) an
der Stelle eines älteren Holzgebaues gebaut worden ist. Diese einfache einschiffige
Kirche mit einem von Segmenten abgeschlossenen Altarraum und einer quadratischen
Sakristei hat im Süden ihre Stirnwand mit einem mit einem Zwiebeldach gedeckten
prismatischen Turm. Im Giebel über dem Eingange ist eine Nische mit der Statue
des hl. Laurentius. Der Innenraum der Kirche war mit spätbarocken Fresken ausgeschmückt.
Der Rokoko-Hochaltar mit dem Altarbilde des Foltertodes der hl. Laurentius stammt
aus dem Ende des 18. Jahrhunderts und zwei klassiziste Nebenaltäre sind aus
der Zeit um 1800. Die Kirche steht umgeben vom Friedhofe, dessen einfaches Eingangstor
mit klassizisten Vasen auf prismatischen Torpfeilern geschmückt ist.
An der Kirche steht das Gebäude der Schule von 1895, in seiner Umgebung befinden
sich einige schöne einstöckige Holzhäuser mit Mansardendach aus dem 18. und
19. Jahrhundert. Im Gemeindegebiet befinden sich auch einige Plastiken und Kreuze,
so z. B. der hl. Johann von Nepomuk auf dem Platze vor der Kirche. Nach dem
ersten Weltkrieg wurde unter dem Gipfel des Vyhlídka-Berges
ein massives Kriegsgefallenen-Denkmal errichtet; zu den bemerkenswerten Denkmälern
gehört auch die Mariensäule am Fusse des Panská skála-Felsens
(Herrnhausfelsen). Im oberen Teil von Prácheň, unterhalb des Česká skála (Tscheschkenstein),
steht eine 180 Jahre alte Gedenklinde.
Aus Prácheň stammte der herausragende Glasgraveur Max Rössler (1893-1955), der Glasmaler Franz Simm und der Literaturhistoriker und Schriftsteller Paul Zincke (1879-1948).
Statue des Heiligen Johannes von Nepomuk im Zentrum des Dorfes.
Foto: Jiří Kühn.
Gedenklinde im oberen Teil des Dorfes.
Foto: Jiří Kühn.