Arnultovice
(Arnsdorf)
Hauptstraße mit dem Restaurant U dvou lip (Zur zwei Linden).
Foto: Jiří Kühn.
Arnultovice (Arnsdorf) liegt im Sporka-Tal südöstlich von Polevsko (Blottendorf) und nordwestlich von Nový Bor (Haida), mit dem es inzwischen vollständig vereinigt ist. Die Siedlung entstand irgendwann nach 1471 auf der Herrschaft Sloup (Bürgstein). Der älteste Erwerbszweig, dem der Ort seine Gründung verdanken mag, war der Ackerbau, außerdem wurden Leinenwaren hergestellt. Die erste Erwähnung in den Büchern von Česká Lípa (Böhmisch Leipa) stammt jedoch aus dem Jahr 1577. Im Jahre 1654 gab es 14 Bauern, 14 Häusler und 34 Haushälter, die neben der Landwirtschaft verschiedene Handwerke und Gewerbe betrieben. Viele von ihnen beschäftigten sich mit Heimweberei und einige von ihnen stellten Holzgegenstände und Spielzeuge her, die sie auf Märkten verkauften. Schon damals gab es auch 3 Glasmacher und einen Glashändler.
Der größte Hof des Bauern Rashkovsky im unteren Teil von Arnultovice wurde nach dem Dreißigjährigen Krieg aufgegeben. Die Grundeigentümer bauten nach und nach ein Gutshaus, den „Hayder Hof“. Der Betrieb war jedoch nicht rentabel und der Besitzer des Gutes, Ferdinand Hroznata von Kokořov, gab ihn deshalb in den 1790er Jahren auf und teilte das Land in Parzellen auf, die er an Landlose verkaufte. Bis 1705 entstanden auf ihnen 21 Häuser, welche die neue Siedlung Heyde (Bor) bildeten, die anfangs dem Arnultovicer Vogt unterstellt war. 1715 ernannte Graf Kinský jedoch einen eigenen Vogt. Arnultovice hatte zu dieser Zeit bereits 117 Häuser. Immer mehr Einwohner verdienten ihren Lebensunterhalt mit dem Bemalen, Schleifen und Polieren von Glas.
Das Zentrum des Dorfes bestand aus etwa 90 Bauernhäusern und Katen, die auf der ehemaligen Gemeindewiese südöstlich von Borská skalka (Draselstein, Hasenberg) errichtet wurden, während der obere Teil des Dorfes weiter oben im Tal bei Polevsko entstand, wo der Sloupsker Adel um 1720 ein Gestüt errichtete. Der Name "Füllegarten" wurde dann eine Zeit lang für einen Ortsteil mit 31 Häusern verwendet, der später als Horní Arnultovice (Ober-Arnsdorf) bezeichnet wurde. Der dritte Teil des Dorfes, Hradčany genannt, entstand nach 1868 auf dem ehemaligen Truppenübungsplatz unterhalb des Borský vrch (Oberjägersberg).
Die erste Erwähnung des Schulunterrichts in Arnultovice stammt aus der Zeit des Dreißigjährigen Krieges. Im Jahre 1729 hatte das Dorf eine eigene Schule, für die es 1712 eine Glocke in Ústí nad Labem (Aussig) gießen ließ. Ab 1813 wurden die Kinder in einem neuen Erdgeschossgebäude an der Hauptstraße unterrichtet, zu dem nach 1860 ein zweites Klassenzimmer im Haus Nr. 117 hinzukam. Später wurde die alte hölzerne Schule abgerissen und durch ein neues zweistöckiges Gebäude mit einem Turm ersetzt, in welches die ursprüngliche Schulglocke aus dem Jahr 1712 umgesetzt wurde. Die neue Schule wurde am 17. September 1874 eingeweiht und erfüllt nach mehreren Umbauten noch heute ihrem Zweck.
Ursprünglich gingen die Arnultovicer Bürger zur Kirche in Sloup, aber 1780 wurde Horní Arnultovice der Pfarrei in Polevsko zugeschlagen. Im Jahre 1786 wurde der untere Teil des Dorfes der neu gegründeten Pfarrei in Nový Bor angeschlossen. Die religiöse Situation im Dorf wurde wesentlich durch die Ausbreitung der altkatholischen Kirche nach der Erklärung der päpstlichen Unfehlbarkeit im Jahre 1870 beeinflusst. Zwei Jahre später wurde in Varnsdorf (Warnsdorf) eine altkatholische Gemeinde gegründet, deren Pfarrer der aus Bukovany (Bokwen) stammende Anton Nittel war. Im Jahre 1887 wurde auch in Arnultovice eine altkatholische Gemeinde gegründet. Eine neu eröffnete Kirche auf dem Friedhof wurde zum Gotteshaus und 10 Jahre später wurde in der Nähe ein Pfarrhaus gebaut.
Haus Nr. 117 an der Hauptstraße in der Ortsmitte.
Foto: Jiří Kühn.
Nach der Reform der Staatsverwaltung im Jahre 1850 wurde Arnultovice eine selbständige Gemeinde, die weiter wuchs. Im Jahr 1869 gab es bereits 220 Häuser. In den nächsten 10 Jahren wuchs die Zahl der Häuser auf 281 und die Einwohnerzahl erreichte 2483. Auch das benachbarte Bor wuchs in gleichem Maße, so dass die beiden Dörfer bis 1880 vollständig zusammengewachsen waren. Die Arnultovicer Bürger wehrten sich jedoch bis 1942 gegen die Zusammenlegung der Verwaltung. Ähnlich wie in Bor wurden auch in Arnultovice eine Reihe von Glasbetrieben gegründet, von denen viele später nach Bor umzogen. Im Ort verblieben unter anderem die Glashütte von Vincenz Oppitz, die Großhandlung von Josef Beiler und die Veredelungsbetriebe von Franz Xaver Henke und Franz J. Schinkel.
Zwischen 1888 und 1893 erhielt das Dorf eine Gasbeleuchtung, die bis 1914 in Betrieb war und dann durch eine elektrische Beleuchtung ersetzt wurde. Am 28. Oktober 1902 wurde die Wasserversorgung hergestellt. Sie wurde aus vier Quellen in Polevsko und Arnultovice gespeist. Bei ihrer Erweiterung im Jahre 1908 wurden weitere Quellen eingebunden. Im Jahre 1910 hatte Arnultovice 413 Häuser und 3758 Einwohner, von denen etwa 800 ihren Lebensunterhalt mit der Glasveredelung in Glashütten oder in Heimarbeit verdienten. Etwa 20 hiesige Firmen beschäftigten sich mit dem Glashandel. In Ober-Arnultovice gab es auch Dampfsägewerke, welche vergoldete Leisten und Rahmen herstellten. Außerdem gab es noch eine Getreidemühle und eine Druckerei von Gustav und Adolf Albert. Im September 1911 wurde Arnultovice der Status einer Marktgemeinde verliehen.
Vor dem Ende des Ersten Weltkriegs fand in Rumburk (Rumburg) am 21. Mai 1918 ein Militäraufstand statt, dessen Teilnehmer nach Česká Lípa marschierten und am späten Nachmittag durch Arnultovice zogen. Unter der Borská skalka stießen sie mit den Soldaten des Hauptmannes Flibor der Garnison aus Bor zusammen, zogen sich aber nach einem kurzen Gefecht auf den Chotovický vrch (Kottowitzer Berg) zurück, wo es am Abend zum letzten Gefecht kam.
Nach dem Krieg erlebte die Glasproduktion eine kurze Wiederbelebung, aber die vielversprechende Entwicklung endete mit der Wirtschaftskrise in den 1930er Jahren. Nach 1933 kam im benachbarten Deutschland der Nationalsozialismus auf, dessen Expansionsdrang im Oktober 1938 zur Besetzung der tschechischen Grenzgebiete und ein Jahr später zum Zweiten Weltkrieg führte. Im Jahre 1942 wurde Arnultovice durch einen Beschluss der damaligen Naziverwaltung nach Nový Bor eingemeindet. Im Herbst desselben Jahres wurde in der Straße U Vodárny ein Arbeitslager für Kriegsgefangene errichtet, um die fehlenden Produktionsarbeiter zu ersetzen. Das Lager verfügte über 18 Holzbaracken für mehr als 400 Kriegsgefangene, von denen ein großer Teil in der Fabrik der Gebrüder Rachmann in Bor arbeitete.
Nach Kriegsende wurden die meisten der ursprünglichen deutschen Einwohner des Dorfes nach Deutschland vertrieben und durch tschechische Siedler aus dem Landesinneren ersetzt. Im Jahr 1950 hatte Arnultovice 2.470 Einwohner und nach 1990 überschritt die Einwohnerzahl 3.000. Heute ist Arnultovice ein Bestandteil von Nový Bor und nur wenige wissen, dass das Kataster bis zum Marktplatz in Bor reicht.
Kirche des Heiligen Geistes.
Foto: Jiří Kühn.
Arnultovice hat nie eine eigene katholische Kirche besessen. Im Jahre 1886 wurde am Rande des Dorfes am westlichen Fuß des Borský vrch ein Friedhof eröffnet. Ein Jahr später wurde die neoklassizistische Heilig-Geist-Kirche fertiggestellt, die anfangs von der katholischen und der evangelischen Kirche gemeinsam genutzt wurde. Nach der Fertigstellung der evangelischen Kirche in Bor im Jahre 1902 diente sie nur noch der katholischen Kirche. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde sie als Handwerkerwerkstatt mit Lager genutzt. Erst im Jahr 2006 wurde sie von der Tschechoslowakischen Hussitenkirche erworben, die sie restaurierte und ihrem ursprünglichen Zweck wieder zuführte. Bei der Rekonstruktion wurden im Inneren hölzerne Emporen geschaffen, Kassettendecken eingebaut und die Fenster in ihren ursprünglichen Zustand zurückversetzt. Die Kirche wurde am 8. Mai 2008 eingeweiht und wird heute sowohl von der Tschechoslowakisch Hussitischen Kirche als auch von der Evangelischen Kirche der Böhmischen Brüder genutzt. Neben der Kirche befindet sich das neugotische Grabmal der Familie des bedeutenden Glasmalers und Besitzers der Rahmenfabrik Franz Ladisch, das 2013 restauriert wurde.
Im kleinen Park vor der Kirche steht ein Denkmal für die Opfer des Ersten Weltkriegs, das von Rudolf Görtler entworfen und vom hiesigen Künstler und Steinmetzmeister Václav Dostál errichtet wurde. Es besteht aus einem Obelisken mit einem Kreuz und einem knienden Soldaten, an dessen Seiten sich Tafeln mit den Namen von 108 gefallenen Bürgern von Arnultovice befinden. Das Denkmal wurde am 24. August 1924 enthüllt und im Jahr 2013 rekonstruiert.
Familiengrab von Franz Ladisch am Rande des Friedhofs.
Foto: Jiří Kühn.
Denkmal für die Gefallenen des Ersten Weltkriegs.
Foto: Jiří Kühn.
An der Hauptstraße in der Mitte des Dorfes steht die spätbarocke Kapelle des Heiligen Kreuzes, die manchmal auch als Kapelle der Heiligen Rosalia bezeichnet wird. Der quadratische Bau wurde 1736 auf Kosten des Bauern und Steinmetzes Wenzel Paul Werner errichtet. An seinem Giebel stand einst eine Statue der Jungfrau Maria. Im Inneren befinden sich in den Seitennischen barocke Statuen des Heiligen Johannes von Nepomuk und des Heiligen Antonius von Padua. Eine weitere gemauerte Kapelle mit einem Türmchen wurde im Jahre 1909 in der Vodní Straße in Horní Arnultovice gebaut. Etwa 300 m südlich davon befindet sich in der Hauptstraße eine barocke Statue der Jungfrau Maria mit dem Jesuskind aus dem Jahr 1743.
Kapelle des Heiligen Kreuzes im Zentrum des Dorfes.
Foto: Jiří Kühn.
Statue der Jungfrau Maria in Horní Arnultovice (Ober Arnsdorf).
Foto: Jiří Kühn.
Kapelle in Horní Arnultovice (Ober Arnsdorf).
Foto: Jiří Kühn.
Die meisten der ursprünglichen Fachwerkhäuser im Dorf wurden im 20. Jahrhundert umgebaut, so dass heute nicht mehr viele erhalten sind. Das Fachwerkhaus mit Schieferverkleidung und Mansarddach in der Odboje-Straße Nr. 85 und das zweistöckige Bauernhaus Nr. 24 an der Grenze zu Polevsko stehen unter Denkmalschutz. Eines der neueren Gebäude ist das Theatergebäude in der Nähe des Busbahnhofs, das von der Firma Josef Schneider aus Mimoň (Niemes) nach dem Projekt des Architekten Richard Brosche aus Česká Lípa gebaut wurde. Es wurde am 2. Oktober 1926 eingeweiht und erfuhr in der Folgezeit zwei Umbauten.
Zweigeschossiges Fachwerkhaus Nr. 85 im Zentrum der Siedlung.
Foto: Jiří Kühn.
Front des Theaters in der Nähe des Busbahnhofs.
Foto: Jiří Kühn.