Nový Oldřichov
(Neu Ullrichstal)
Nový Oldřichov (Neu Ullrichstal) liegt in dem hochgelegenen Tale des Oberlaufes des Bystrá-Baches (Absbach) an der Strasse von Kamenický Šenov (Steinschönau) nach Kerhartice (Gersdorf), etwa 4 km südlich von Česká Kamenice (Böhmisch Kamnitz). Im Westen hängt es mit der älteren Gemeinde Mistrovice (Meistersdorf) zusammen, die heute als Ortsteil zu Nový Oldřichov gehört. Heute leben etwa 630 Einwohner in der Gemeinde.
Geschichte
Gebäude des Gemeindeamtes.
Foto: Jiří Kühn.
Nový Oldřichov entstand kurz nach der Mitte des 18. Jahrhunderts auf Grundstücken,
die ursprünglich zu Mistrovice (Meistersdorf) gehörten.
Diese Gemeinde ist im 14. Jahrhundert gegründet worden und bereits im 15. Jahrhundert
war hier ein selbstständiges Edelgut, dessen älteste bekannte Besitzer um 1457
die Blekta z Útěchovic (Blekta von Audishorn) waren. Nach ihnen kamen mehrere
andere Besitzer, von denen Siegmund von Weissenbach kurz nach 1598 im Dorf ein
kleines Schlösschen erbauen liess. Zur gleichen Zeit entstand wahrscheinlich
auch der herrschaftliche Meierhof, zu dem die Grundstücke durch Ankauf der Felder
einiger Bauernhöfe in den Jahren zwischen 1585 und 1632 gewonnen wurden.
In der Mitte des 18. Jahrhunderts war Besitzer des Meistersdorfer Gutes Peter
Christoph von Wallbrunn, dem 1751 ein Sohn namens Oldřich (Ullrich) geboren
wurde. Zu Ehren des Paten Ullrich Kinský, des Besitzers der Herrschaft Česká
Kamenice (Böhmisch Kamnitz), teilte Petr Kryštof einen Teil der Grundstücke
seines Meierhofes in Baustellen, die er an neue Siedler verteilte, und gründete
so im Jahre 1758 das Dorf Ullrichstal. Im Jahre 1764 verkauften die von Wallbrunn
den Meistersdorfer Meierhof dem Grafen Kinský, der ihn bald danach auflöste,
seine Gebäude einschliesslich des Schlösschens verkaufte und die parzellierten
Gründe an weitere Siedler vermietete. Ein Teil der Grundstücke lag offenbar
längere Zeit brach, da man im Volksmunde die neue Gemeinde mit dem Namen "Brache"
bezeichnete.
Ehemalige Glasraffinerie Clemens Rasch.
Foto: Jiří Kühn.
Ullrichstal hatte wahrscheinlich bereits seit seiner Gründung ein eigenes Gericht und bald danach wurde hier auch eine Schule gegründet. Die Gemeinde wuchs schnell und hatte 1787 bereits 75 Häuser. Zum Haupterwerbszweig der Einwohner wurde bald die Glasveredlung, die hauptsächlich im 19. Jahrhundert eine grosse Blütezeit erlebte, als hier eine Reihe talentierter Schleifer und Graveure wirkte. Im Jahre 1830 errichteten hier die Gebrüder Görner eine Glasraffinerie, die später in den Besitz von Franz Pelikan überging. 1855 wurde sie von der Firma Clemens Rasch und Sohn, die 30 Jahre später hier eine eigene Glashütte baute, übernommen und vergrössert. Zu dieser Zeit waren in Mistrovice und Oldřichov 32 Glasmaler-Ateliere, 31 Graveurwerkstätten und 6 Gürtler.
In der Verwaltungsreform von 1850 wurde Oldřichov an Mistrovice angeschlossen, aber bereits im Jahre 1878 wurde es zu einer selbstständigen Gemeinde erhoben. 1844 baute man im Dorfe eine katholische Kirche zur Kreuzeserhöhung, und da sich in beiden Gemeinden allmählich eine bedeutende altkatholische Gemeinde bildete, wurde hier 1897 eine altkatholische Filialkirche errichtet, die zur Pfarre in Arnultovice (Arnsdorf) bei Nový Bor (Haida) gehörte.
Dank der bergigen Lage zwischen reich bewaldeten Bergen mit weiten Ausblicken
wurden beide Gemeinden um die Wende des 19. und 20. Jahrhunderts zu vielbesuchten
Ausflugszielen und im Jahre 1903 wurde auf einer nahen, die "Scheibe"
genannten Anhöhe ein hölzerner Aussichtsturm aufgestellt.
Zum Aufschwung der Gemeinde trug auch der Bau der privaten Eisenbahnstrecke
von Kamenický Šenov (Steinschönau) nach Česká Lípa
(Böhmisch Leipa) bei, deren grösster Konzessionär der Ullrichsdorfer Fabrikant
Clemens Rasch war. Man begann ihren Bau in Mistrovice
am 2. Mai 1902 und die ganze Strecke konnte bereits am 29. August in Betrieb
genommen werden. Die Inbetriebsetzung verlief nicht besonders glücklich, da
bei der Einfahrt des Zuges in die Station Mistrovice ein Teil des Bahndammes
einstürzte und die Lokomotive entgleiste. Diese äusserst anspruchsvolle Bergstrecke
diente der Öffentlichkeit bis zu ihrer Stillegung am 29. August 1979.
1910 erreichte Oldřichov mit 898 seine höchste Einwohnerzahl und wuchs dann
nicht mehr weiter. Nach dem 1. Weltkriege siedelte sich hier eine grössere Anzahl
tschechischer Arbeiter an, wodurch in der Gemeinde eine bedeutende tschechische
Minderheit entstand, die 1930 etwa 140 Personen zählte. Zwei Jahre später wurde
hier eine tschechische Schule eröffnet.
Ein neueres Haus im Orte.
Foto: Jiří Kühn.
Vor dem zweiten Weltkrieg war die hauptsächlich den Rohstoff für die hiesigen
Veredler herstellende Glashütte und Raffinerie Clemens Rasch, die als eine der
ersten in der Gegend mit Generatorgas geheizt wurde, der bedeutendste Betrieb
in der Gemeinde. Ausserdem waren hier noch weitere vier grössere und einige
kleinere Raffinerien. Etwa 40 Familien widmeten sich der Glasveredlung in Heimwerkstätten,
und zwar überwiegend als Kugler und Maler. Es gab hier aber auch Gürtler, eine
Graveurwerkstätte und eine Korbflechterei.
Am Ende des 2. Weltkrieges wurde Oldřichov mit Mistrovice
unter dem Namen Nový Oldřichov (Neu Ullrichsdorf) zusammengeschlossen. In den
Jahren 1945-1946 wurde die Mehrzahl der ursprünglichen deutschen Einwohner ausgesiedelt
und die meisten glasverarbeitenden Werkstätten gingen ein. Die Glashütte Clemens
Rasch wurde nach dem Kriege in den staatlichen Betrieb Jablonecké sklárny eingegliedert
und arbeitete bis 1966. Dann wurde sie geschlossen, ihre Gebäude dienten eine
gewisse Zeit als Lagerhallen und Ende der 80er Jahre wurden sie abgerissen.
Das Feuerwehrmuseum.
Foto: Jiří Kühn.
Zentrum für Bildung und Kultur in Mistrovice (Meistersdorf).
Foto: Jiří Kühn.
Denkmäler und Merkwürdigkeiten
Noch in den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts sollten in Oldřichov die Überreste des ehemaligen Schlösschens und des Meierhofes zu sehen gewesen sein. Das Schlösschen liess wahrscheinlich Siegmund von Weissenbach kurz nach 1598 bauen, und trotzdem seine Gebäude im 17. und 18. Jahrhundert vergrössert worden sind, ist es wahrscheinlich ein überwiegend aus Holz bestehender Bau geblieben. Der Meierhof entstand wahrscheinlich zur gleichen Zeit wie das Schlösschen und 1756 wurde eine bei ihm bestehende kleine Bierbrauerei erwähnt. Im Jahre 1833 wurde das Schlösschen von einem Sturmwind beschädigt und 1903 wurde es zusammen mit dem ganzen Meierhof durch Feuer vernichtet. Der Überrest des Schlösschens diente dann noch eine gewisse Zeit als Scheune.
Kirche zur Kreuzeserhöhung in Mistrovice (Meistersdorf).
Foto: Jiří Kühn.
Auf einer Anhöhe im Unterdorf steht die schlichte barocke Kirche zur Erhöhung
des hl. Kreuzes, die früher auch als Begräbniskapelle bezeichnet wurde.
Sie wurde 1844 erbaut und im folgenden Jahre geweiht. Der rechteckige einschiffige
Bau wird durch einen halbkreisförmigen Altarraum abgeschlossen und hat an der
Westseite ein Eingangsportal mit einem Dreiecksgiebel, über dem sich der viereckige
Turm erhebt. Die Inneneinrichtung stammte ursprünglich überwiegend aus dem
19. Jahrhundert. Die Engelsfiguren an beiden Seiten des Altares lieferte der Bürgsteiner
Bildhauer Josef Max, der portalartige Seitenaltar der hl. Anna stammte aus der
ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Ausserdem gab es hier eine barocke St. Josefsstatue
und eine spätbarocke Kanzel. Am Wege zur Kirche stand früher eine Ecce homo-Statue
aus der Zeit um 1700, von der es hiess, dass sie aus der Kapelle des ehemaligen
Meistersdorfer Schlösschens stammte.
Zur gleichen Zeit wie die Kirche wurde im Jahre 1844 auch der Friedhof
errichtet, der aber später aufgelassen und im Jahre 1892 durch einen neuen Friedhof
südlich der Kirche ersetzt wurde. Oldřichov hat einen eigenen Friedhof an der
Strasse nach Kamenický Šenov (Steinschönau). Er
besteht nachweislich wenigstens seit 1833, ist aber wahrscheinlich älter. An
ihm steht eine interessante barocke Sandstein-Statue des hl. Johann von Nepomuk,
die im Jahre 2000 zum Nationalen Kulturdenkmal ausgewiesen wurde, und ein steinernes
Denkmal der Gefallenen des 1. Weltkrieges. Ein zweites Kriegerdenkmal steht
an der Strasse im Zentrum von Mistrovice.
Statue des hl. Johann von Nepomuk am Friedhof in Oldřichov (Ullrichstal).
Foto: Jiří Kühn.
Gefallenendenkmal in Mistrovice (Meistersdorf).
Foto: Jiří Kühn.
Einstöckiges Umgebindehaus.
Foto: Jiří Kühn.
Im Jahre 1897 wurde im nördlichen Teil von Mistrovice
eine altkatholische Kirche im Stile der Neorenaissance erbaut. Dieser
rechteckige einschiffige Bau mit halbkreisförmigem Abschluss hatte an der östlichen
Stirnwand einen prismatischen Turm; nach dem 2. Weltkrieg verkam sie allmälich
und wurde 1977 abgerissen.
Im Orte haben sich bis heute noch einige volkstümliche Umgebindehäuser
erhalten, von denen besonders das einstöckige Haus No. 14 im Oberdorf von Oldřichov
an der Strasse nach Kamenický Šenov bemerkenswert
ist.
Im November 1989 wurde im Orte ein Feuerwehrmuseum eröffnet,
dessen Grundstein der sog. Feuerwehr-Traditionssaal aus dem Jahre 1979 bildet.
Die hiesigen Feuerwehrleute habe ihn allmählich erweitert und es entstand hier
eine grossartige Sammlung von über 400 feuerwehrtechnischen Ausstellungsgegenständen,
Autos und Spritzen, anderen Ausrüstungsgegenständen und zeitgenössischen Fotografien.
Alljährlich im August wird hier ein Feuerwehrfest veranstaltet.
Neben dem Museum befindet sich ein symbolischer Park mit einem Denkstein an
Jan Masaryk. In der Gemeinde waren früher auch mehrere Kreuze, von denen aber
der Grossteil nach 1945 vernichtet worden ist.
Umgebindehaus No. 119.
Foto: Jiří Kühn.
Bedeutende Landsleute und Persönlichkeiten
In Oldřichovice wirkten früher einige bedeutende Glasgraveure.
Aus Oldřichov stammt der Kugler und Stammvater der berühmten steinschönauer
Graveur-Familie Ignaz Pietsch (1790-1842), die Glasschneider Ludwig
Bienert (1820-1896) und Franz Krause (1872-1959), der sich besonders
auf Jagdszenen spezialisierte. Die meistbekannten künstlerischen Graveure von
Mistrovice waren August Böhm (1812-1890) und Franz Anton Pelikan
(1786-1858), der Begründer der berühmten Graveurfamilie Pelikan. Bedeutende
Graveure waren auch die Brüder Ignaz (1823-1909), Josef (1856-1909)
und Wilhelm (1854-1924) Fritsche, August Helzel (*1877) und
Emil Helzel (1886-1922), der sich auch mit Glasmalerei beschäftigte.
Josef May, Wilhelm Kittel und Hermann Storch haben sich
um das Jahr 1900 gleichfalls auf das Gravieren von Jagdszenen spezialisiert.
Etwa ein Jahrhundert früher wirkte hier der Wappenmaler Josef Löhnert.
Zu den bedeutenden Graveuren der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts gehörten
Florian August Gürtler (*1793) und August Hegenbarth, dessen "Landung
des Kolumbus" nach einer Vorlage des Prager Malers Christian Ruben auf der Weltausstellung
in Paris 1855 mit einer hohen Auszeichung beehrt wurde.
Aus Oldřichov stammte auch der Bildhauer und Präsident der Wiener Künstlergemeinde
Ernst Hegenbarth (1867-1944), und der Tuberkulose-Spezialist Wilhelm
Neumann (1877-1919), der auch als Professor an der Wiener Universität wirkte.
Sehenswürdigkeiten in der Umgebung
Nový Oldřichov liegt unter den Abhängen des bewaldeten Berges
Krásná hora (Vogelberg) zwischen zwei langgezogenen Bergkämmen. Im Osten dehnt
sich der waldbewachsene Bergkamm mit dem höchsten Punkte des Kameník (Steinberg,
Wolfsberg) und dem Aussichtsfelsen Česká skála (Tscheschkenstein), auf dessen
abgewandtem Abhange die Sommerfrische Slunečná
(Sonneberg) liegt, aus. Im Nordosten erhebt sich der Rücken des Smrčník
(Forst) und Bažantnice, an dessen Hange sich
früher ein Aussichtsturm (Scheibenwarte) mit
einem Ausflugsrestaurant befand. Ein zweites Aussichts-Gasthaus stand auf dem
felsigen Gipfel des Rozsocha (Sustrich), der
aus dem flachen Sattel zwischen dem Smrčník und Kameník hervorragt. Im Tale
nordöstlich von Oldřichov breitet sich die Glasmacherstadt Kamenický
Šenov aus, an deren Rande sich bei Prácheň
(Parchen) der wie eine steinerne Orgel aussehende berühmte Panská
skála-Felsen (Herrnhausfelsen) erhebt.
Im Tale des Bystrá-Baches (Absbach) westlich von Oldřichov liegt die Gemeinde
Kerhartice (Gersdorf), die bereits zum
nahen Städtchen Česká Kamenice (Böhmisch Kamnitz)
gehört. Dieses malerische Städtchem mit seinem erhaltenen historischen Kern
schmücken zwei interessante Kirchen, seiner Umgebung dominiert der Zámecký
vrch (Schlossberg) mit der Ruine der Kamenický
hrad (Burg Kempnitz). Im Südosten der Gemeinde im Tale des Libchava-Baches
in Richtung nach Česká Lípa (Böhmisch Leipa) liegt Volfartice (Wolfersdorf)
mit Nová Ves (Neudorf) und Horní Libchava (Ober Liebich).