Heřmanice v Podještědí
(Hermsdorf)
Holzhäuser im oberen Teil der Gemeinde.
Foto: Jiří Kühn.
Heřmanice (Hermsdorf) ist ein überwiegend zur Erholung genutztes Dorf, gelegen im breiten Tal des Baches Heřmanický potok unter dem Berg Jezevčí vrch (Limberg) etwa 4 km nordwestlich von Jablonné v Podještědí (Deutsch Gabel), wozu es heute administrativ gehört. Teil der Gemeinde ist auch die kleine Einschicht Paseka (Geräumicht) zwischen Zámecký vrch (Schlossberg) und Jezevčí vrch (Limberg) etwa 1,5 km nordwestlich des Ortes an der Straße nach Mařenice (Gross Mergtal).
Der Ort wurde offenbar im Zuge der Kolonisation des bis dahin spärlich besiedelten Granzgebietes im 13. Jahrhundert gegründet, wurde aber schriftlich als „Hermanicze“ erst 1391 erstmals erwähnt. Die Ortsbezeichnung ist offensichtlich vom Gründer oder dem Lokator namens Hermann abgeleitet. Das Dorf gehörte ursprünglich zur Herrschaft Lemberk (Lämberg), kam aber zu Beginn des 14. Jahrhunderts in den Besitz der Herren von Dohna, die auf Schloss Grabštejn (Grafenstein) residierten. Während der Hussitenkriege im Jahr 1425 wurde Heřmanice (Hermsdorf) zerstört und wurde noch im Jahre 1460 als wüst erwähnt. Mitte des 16. Jahrhunderts gelangte das Dorf wieder in den Besitz der Berka von Dubá, welche es an die Gabler Herrschaft angliederten. Zu dieser Zeit bestand im Ort bereits eine Getreidemühle, eine Säge und eine Gastwirtschaft. Zu Beginn des 17. Jahrhunderts entstand am Weg, der entlang des Baches Studený potok (Kaltenwasser) zum ehemaligen Forsthaus Na Šestce verläuft die kleine Siedlung Neuensorge, die erstmals am 17. Juni 1611 erwähnt wurde. Ab 1618 ist sie aber in keinerlei Aufzeichnungen mehr zu finden, weshalb man davon ausgeht, dass sie im 30-jährigen Krieg eingegangen ist.
Im Jahre 1654 lebten in Heřmanice (Hermsdorf) 27 Bauern, 46 Häusler, 7 Gärtner und 7 Anwesen waren verlassen. Die Bewohner lebten zu Beginn von der nicht allzu ertragreichen Landwirtschaft, der Viehzucht, der Waldarbeit und der Holzverarbeitung. Schon im 17. Jahrhundert verbreitete sich hier die heimische Herstellung von Garn und Tuchen und später kam auch die Baumwollweberei hinzu. Das blieb der Haupterwerb noch bis Mitte des 19. Jahrhunderts, als man in den Städten und größeren Gemeinden im Vorgebirge begann Textilfabriken zu errichten. Im Jahre 1806 gab es im Dorf eine Schule mit einer Klasse, die 1860 auf zwei Klassen erweitert wurde. Sieben Jahre später wurde ein neues Schulgebäude errichtet, in dem 1878 vier Klassen unterrichtet wurden. Seit 1896 stand im Ort auch eine kleine Kirche des hl. Antonius von Padua, die allerdings nur eine Filialkirche des Doms in Jablonné (Deutsch Gabel) war. Mit dem Aufkommen des Tourismus zum Ende des 19. Jahrhunderts wurde hier eine Ortsgruppe des Gebirgsvereins für das nördlichste Böhmen gegründet, deren Mitglieder sich um die Markierung und Pflege der touristischen Wege in der Umgebung kümmerten.
Typisches halb-hölzernes Umgebindehaus mit verbrettertem Giebel.
Foto: Jiří Kühn.
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts gab es in Heřmanice (Hermsdorf) 245 Häuser in denen 1288 Einwohner lebten. Im Ort gab es außerdem drei Mühlen, eine Säge und ein Teil der Menschen lebte von der Baumwollweberei. An Handwerkern gab es: Schmied, Schreiner, Bäcker, Weber, Automechaniker und Stellmacher. Außerdem hatte der Ort eine Mangel, neun Geschäfte und zehn Gasthäuser. Im Oktober 1905 wurde der Betrieb auf der Eisenbahnstrecke von Cvikov (Zwickau) nach Jablonné (Deutsch Gabel) aufgenommen, an der Heřmanice (Hermsdorf) eine eigene Haltestelle, 2 km vom Ort entfernt, hatte.
Der 1. Weltkrieg in den Jahren 1914 bis 1918 kostete in Heřmanice (Hermsdorf) 40 Einwohnern das Leben, denen 1927 an der Kirche ein Denkmal errichtet wurde. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde die Straße über Babiččin odpočinek (Grossmutterruh) nach Krompach (Krombach) gebaut und zwischen 1922 und 1925 wurde der Ort an das elektrische Netz angeschlossen. Zu dieser Zeit lebten hier noch ungefähr 1050 Menschen, die Zahl der Kinder war aber rückläufig, so dass es in der Schule nur noch eine Klasse gab.
Nach der Vertreibung der ursprünglichen deutschen Bevölkerung von 1945 bis 1946 war der Ort entvölkert, da nur wenige neue tschechische Umsiedler hierher kamen. Die hiesigen Industriebetriebe und das Gewerbe gingen zum Großteil ein und von den Gasthäusern blieb auch nur ein einziges in Betrieb. 1950 wurde eine Agrargenossenschaft gegründet, die allerdings nicht funktionierte und um 1960 in den staatlichen Agrarbetrieb überführt wurde. Eine Reihe der Einwohner musste zur Arbeit nach Jablonné (Deutsch Gabel) oder weiter entfernte Städte pendeln. Man begann den Ort immer mehr als Erholungs- und Wochenenddestination zu nutzen. Im Laufe der 50er Jahre entstanden hier einige Erholungsbetriebe und am westlichen Rand des Dorfes wurde 1961 bis 1963 ein Freibad mit Ferienlager und Hütten gebaut. Seit den 60er Jahren wuchs die Beliebtheit unter den Häuslern, dank derer eine Menge der verlassenen Holz- und Fachwerkhäuser vor dem Verfall gerettet wurden. Ende der 60er Jahre gab es in Heřmanice (Hermsdorf) schon 19 gewerbliche Erholungseinrichtungen und 48 private Hütten. Zum 1. Januar 1971 hatte Heřmanice noch 372 Einwohner, wobei die Zahl stetig sank. Im Jahre 1976 wurde wegen Kindermangels die Schule geschlosen und 4 Jahre später lebten hier nur noch 166 Menschen. Am 1. Januar 1981 wurde Heřmanice zusammen mit weiteren Dörfern in der Umgebung nach Jablonné v Podještědí (Deutsch Gabel) eingemeindet.
In den 90er Jahren des 20. Jahrhunderts entstand am nordwestlichen Ende von Heřmanice die ausgedehnte Ranch Malevil, die neben Übernachtungen und einem Restaurant auch einen Golf- und Tennisplatz, sowie viele weitere Möglichkeiten zur Freizeitgestaltung und zur sportlichen Betätigung bietet. Am südwestlichen Fuße des Jezevčí vrch (Limberg) befindet sich seit 2000 ein Wildgehege, in dem Damhirsche und Muflons leben.
Die Kirche des hl. Antonius von Padua.
Foto: Jiří Kühn.
In der Mitte des Dorfes steht die pseudogotische Kirche des hl. Antonius von Padua aus dem Jahre 1896. Der verhältnismäßig kleine Bau wird durch ein mehreckiges Presbyterium, an dessen Seiten eine Vorhalle und die Sakristei angebaut sind, abgeschlossen. An der Außenwand an der Nordostseite steht der prismatische Turm mit Spitzdach und hölzerner Laterne. Über dem Eingangsportal befindet sich ein Oberlicht mit rosettenem Fenster. Das Kirchenschiff wird durch sechs große Fenster mit Winkelbögen erhellt, die im oberen Teil mit Glasmalerei verziert sind. Zwei weitere Fenster befinden sich im Presbyterium. Innen befindet sich über dem Eingang eine Empore mit hölzerner Ballustrade, die von zwei Säulen getragen wird. Im Innenraum sind noch die ursprünglichen Sitzbänke vorhanden, des Weiteren die zwei Seitenaltäre, Bildnisse der Passion Christi und im Presbyterium der Altartisch. Im Turm ist noch die Glocke von 1928 vom Glockenbaumeister Rudolf Perner aus České Budějovice erhalten. In den Jahren 2010 bis 2017 wurde die verfallene Kirche repariert und es finden hier gelegentlich kirchliche und kulturelle Veranstaltungen statt.
Vor der Kirche steht die restaurierte Barockstatue des hl. Johannis von Nepomuk, die am 16. Mai 2017 neu geweiht wurde. Nahe der Straße steht das ehemalige Denkmal für die Gefallenen des 1. Weltkrieges, das am 10. Juli 1927 enthüllt wurde. An seiner Vorderseite befand sich ursprünglich eine Tafel aus Syenit mit den Namen von 40 gefallenen und verschollenen Bewohnern.
Die Statue des hl. Johannis von Nepomuk vor der Kirche.
Foto: Jiří Kühn.
Das ehemalige Denkmal der Gefallenen des 1. Weltkrieges.
Foto: Jiří Kühn.
Das denkmalgeschützte Bauerngut neben der Kirche.
Foto: Jiří Kühn.
In dem großen Garten in der Nachbarschaft der Kirche steht ein denkmalgeschütztes Bauerngut Nr. 123 aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Dessen Wohnhaus besitzt im Erdgeschoss eine hölzerne Blockstube mit Umgebinde, ein Fachwerkobergeschoss mit verkleidetem Giebel und ein Satteldach mit langen Gauben. Lotrecht zum Haus ist eine gemauerte Scheune mit Schieferdach angebaut.
Etwa 400 m nordwestlich von hier steht am alten Weg hinter dem Gasthaus „Česká hospoda“ das steinerne Polenkreuz aus dem Jahr 1813, von welchem man erzählt, dass es auf dem Grab eines unbekannten polnischen Offiziers errichtet wurde. An seinem Sockel befindet sich eine ovale Tafel mit einer heute kaum noch lesbaren deutschen Inschrift.
Im Dorf haben sich bis heute einige für die Region typische Umgebindehäuser erhalten, von denen manche ein Fachwerkobergeschoss oder –giebel besitzen. Besonders schön sind z.B. die Häuser Nr. 201 und 274 in der Mitte des Dorfes oder die größeren mehrstöckigen Umgebindehäuser Nr. 56, 214 und 248 an der Straße nach Krompach (Krombach). Am nördlichen Ausgang des Dorfes steht ein denkmalgeschütztes halb-hölzernes Haus Nr. 73 aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Hübsch hergerichtet ist auch das Haus Nr. 265 gegenüber.
Denkmalgeschütztes halb-hölzernes Haus am oberen Ende des Dorfes.
Foto: Jiří Kühn.
In Heřmanice wurde der Liberecer Archivar, Dichter und Schriftsteller Theodor Hutter (1860-1932) geboren.