Tolštejn
(Tollenstein)
Gesamtansicht des Burgfelsens vom Křížová hora (Kreuzberg).
Foto: Jiří Kühn.
Der Tolštejn (Tollenstein) ist die am besten erhaltene Burgruine des Lausitzer Gebirges. Sie steht etwa 2 km südlich von Jiřetín pod Jedlovou (Sankt Georgental) auf einem steil aufragenden Phonolithstock (670 m), der eine charakteristische Dominante der ganzen Gegend darstellt. Der Name der Burg ist abgeleitet vom ursprünglichen Namen des Felsens (Dohlenstein).
Die Burg wurde wahrscheinlich in der zweiten Hälfte des
13. Jahrhunderts von den Wartenbergern zum Schutze der Pražská
cesta (Prager Strasse), einer wichtigen Handelsstrasse, die das Innere Böhmen
mit der Lausitz verband, errichtet. Böhmen unterlag damals Otto von Brandenburg,
dem Vormund des jungen Václav (Wenzel), gegen den die Herren von Rohn, die damals
im Zittauer Lande herrschten, Krieg führten. Diese Kriegslage unterstützte an
den Grenzen des Zittauer Landes die Entstehung von Lehensburgen, zu denen auch
die Burg Tolštejn gehörte.
Die erste historische Erwähnung der Burg stammt allerdings erst aus dem Jahre
1337, in dem sie von der Kriegsmacht der Oberlausitzer Sechsstädte erobert wurde,
da die Burgbesatzung Raubzüge in das Zittauer Land unternahm. Die Burg kam dann
als Ersatz für die 1339 von den Zittauern vernichtete Burg Krásný
Buk (Schönbuch) an Vaněk von Vartenberk, der sie zum Verwaltungszentrum
seiner Herrschaft machte. Die Wartenberger behielten die Burg bis zum Beginn
des 15. Jahrhunderts, in dem sie an Hynek Berka z Dubé, einen der reichsten
böhmischen Herren, dessen Besitzungen bis zum sächsischen Hohnstein reichten,
überging.
Gesamtansicht des Burgfelsens vom Westen.
Foto: Jiří Kühn.
Als im Jahre 1423 die Hussiten zum ersten Male in die Oberlausitz eindrangen,
schlossen die Lausitzer Städte mit dem hiesigen Edelmann Zikmund z Vartenberka
(Siegmund von Wartenberg) und Jan Berka z Dubé (Johann Berka von Dauba), dem
Innhaber des Tolštejn, ein Verteidigungsbündnis. Tolštejn diente dabei als vorgeschobener
Beobachtungspunkt, der im Laufe der wiederholten Feldzüge der Hussiten in die
Lausitz und nach Schlesien Warnungen aussandte. Später allerdings schlossen
die Wartenberger mit den Hussiten Frieden und nahmen ihre Besatzungen auf; im
Jahre 1425 wurde deshalb auch der von den Hussiten gefangene Bautzener Hauptmann
Nikolaus von Ponikau hier gefangengehalten.
Nach 1426 wurde Johanns Bruder Hynek und nach ihm dessen Sohn Albrecht Herr
auf dem Tolštejn. Die Streitigkeiten der Berken mit den Lausitzern dauerten
allerdings weiter und im Jahre 1445 wurde die Burg in einem bedeutenden Ausmasse
beschädigt vom Ambros Bursarius von Dobrý Lah, der hier als Gefangener gehaltenen
wurde und dem es gelang, sich der Burg zu bemächtigen, sie teilweise niederzubrennen
und selber nach Görlitz zu entkommen.
Als überzeugter Katholik war Albrecht von Anfang an Gegner des Königs Jiří (Georg)
von Poděbrad, der die Burg deswegen im Jahre 1463 einnehmen liess. Albrecht
Berka entfloh in das schlesische Breslau, wo ihn der päpstliche Legat zu einem
vom tschechischen Ketzerkönige verfolgten Märtyrer erklärte. Im Jahre 1466 gelang
es dem König allerdings, Albrecht gefangen zu nehmen und sein Besitz, die Herrschaften
Tolštejn mit dem Šluknover Land fiel an Johann von Wartenberg und Jindřich (Heinrich)
Berka von Dauba, die im Jahre 1463 die Belagerung der Burg leiteten.
Jindřich Berka trat seinen Teil des Tolštejn an Johann von Wartenberg ab und
nach ihm übernahm die Besitzung sein Sohn Kryštof (Christoph). Der Zwist um
die Burg und die Anerkennung des Königs Jiří von Poděbrad dauerte aber weiter.
Albrecht Berka gelang es, seine Verbündeten im September 1469 zum Angriff auf
die Burg zu bewegen. Der Angriff endete aber mit einem Misserfolg, weil die
Belagerer schleunigst dem belagerten Zittau zu Hilfe eilen mussten. Durch die
langdauernden kriegerischen Auseinandersetzungen kam Kryštof (Christoph)
v. Wartenberg in die Schulden und war gezwungen, im Jahre 1471 die Herrschaft den
sächsischen Fürsten Ernst und Albrecht zu verkaufen.
Ein Blick auf das Lužnička-Tal durch die Mauer mit dem sanierten Nordturm.
Foto: Jiří Kühn.
Im Jahre 1485 kam Tolštejn und das Schluckenauer Ländchen an die Familie Schleinitz,
die von der sächsischen Seite des Erzgebirges stammte. Jindřich (Heinrich) v.
Schleinitz liess am Anfange des 16. Jahrhunderts die Burg in Stand setzen und
um die nördlichen Bastionen vergössern, sodass aus der Burg eine bereits Kanonen
verwendende Festung gemacht wurde. Als Autor des Umbaues wird der Görlitzer
Baumeister Wendel Rosskopf bezeichnet, der sich wahrscheinlich von dem Umbaue
der Burg Rábí inspirieren liess. Im Jahre 1528 übernahm die Herrschaft Jiří
(Georg) v. Schleinitz, der den Bergbau auf Silber und andere Metalle in der Umgebung
unterstützte und der für die von ihm gerufenen sächsischen Bergleute im Jahre
1554 das Städtchen Jiřetín pod Jedlovou (Sankt Georgental)
gründete. Er selbst übersiedelte aber 1555 vom Tolštejn in das bequemere Schloss
in Rumburk (Rumburg) und zerteilte 1570 den unter der nicht weiter bewohnten
Burg liegenden Meierhof auf Bauernhöfe. Die Familie Schleinitz konnte sich aber
hier nicht weiter wirtschaftlich behaupten und ihre Herrschaft wurde allmählich
verkauft. Nach 1587 wechselten auf der Herrschaft verschiedene Besitzer, unter
ihnen auch Vilém Vchynský, der im Jahre 1634 in Eger zusammen mit Albrecht von
Waldstein ermordet wurde.
Im Jahre 1607 diente die Burg nicht mehr ihrem Zwecke, aber noch vor dem Dreissigjährigen
Kriege liess sie Radslav Kinský wiederherstellem. Im Jahre 1642 wurde die Burg
vom österreichischen Militär besetzt, das von hier aus den Schweden den Weg
nach Böhmen absperren wollte. Die Schweden belagerten aber die Burg, setzten
sie mit Brandfackeln in Brand und eroberten sie. Die vollständig ausgebrannte
Burg wurde später nicht mehr erneuert. Seit 1681 gehörte sie zusammen mit der
ganzen Herrschaft den Herren von Liechtenstein. Unter Josef Václav von Liechtenstein
(1718-1771) haben sich angeblich eine Zeit lang Räuber in den Ruinen versteckt,
die versuchten, den vergangenen Ruhm der mittelalterlichen Raubritter zu erneuern.
Zum letzten Male wurde die Burg militärisch von der österreichischen Armee bei
der Verfolgung der zurückziehenden Preussen im Juli 1757 benutzt, in der Vorburg
wurde auch in einem Scharmützel des preussisch-österreichischen Krieges von
1778 gekämpft. Im nachfolgenden Jahre besuchte deswegen auch Kaiser Josef II.
im Laufe seiner Inspektionsreise durch Nordböhmen die Burg.
Ruinen neben dem ehemaligen Eingangsturm.
Foto: Jiří Kühn.
Später wurde dann die Ruine zum Ziel der Besuche der Einwohner aus der Umgebung,
die in ihr Bausteine gewannen, und der Schatzsucher, die durch ihre Grabungen
in den Kellerräumen und die Untergrabung der Mauern wesentlich zu ihrem Verderb
beitrugen. Um die Mitte des 19. Jahrhunderts baute sich neben der Ruine ein
Eremit sein Häuschen. Mit dem Aufschwung des Tourismus am Ende des 19. Jahrhunderts
wurde auch die Ruine Tolštejn zum Ziele vieler Besucher. Im Sommer des Jahres
1865 errichtete deswegen der Kaufmann Johann Josef Münzberg aus Jiřetín in der
polgonalen Bastion der Burg eine einfache Imbissstube und im nächsten Jahre
baute er mit Erlaubnis des Fürsten Johann v. Liechtenstein auf dem danebenliegenden
Hange ein hölzernes Gasthaus in Schweizer Art. Da die Besucherzahl stetig stieg,
wurde das Gasthaus allmählich erweitert. In seinem Inneren entstand eine Sammlung
von Altertümern und Kuriositäten, die auf der Burg ausgegraben wurden (gotische
und Renaissancekacheln, Pfeilspitzen, Hufeisen, Sporne, Schlösser und Schlüssel)
und alte Gefässe, Bilder und Waffen, die hier im 17. Jahrhundert die Schweden
gelassen haben sollten. Um das Jahr 1890 wurde eine weitere Attraktion errichtet
- der "Ritter im Hungerturm" - die Figurine eines Ritters in der Rüstung, die
in einem steinernen Anbau an der Wehrmauer stand. Diese Attraktionen, aber vor
allem die mustergültige Bedienung, die gute Küche und die erschwingliche Preise
trugen zur grossen Beliebtheit des Restaurants bei.
Tolštejn wurde auch von einer Reihe berühmter Persönlichkeiten besucht, unter
denen z. B. der Erzherzog Ferdinand Habsburg, der sächsische Kronprinz und spätere
König Friedrich August und der Graf Nikolaus Desfours-Walderode waren. Im Jahre
1892 besuchte der damals siebzehnjährige, später berühmt gewordene böhmisch-deutsche
Dichter Rainer Maria Rilke (1875-1926) die Ruine, und schrieb in das Gästebuch
das romantisches Gedicht "Feber". Bis zum Jahre 1923, in dem der tschechische
Staat Eigentümer der Ruine wurde, war oft auch der Inhaber der Herrschaft, Fürst
Johann Liechtenstein, im Restaurant zu Besuche.
Mit der Familie Münzberg sind auch die ersten Bestrebungen zu einer Reparatur
der Burgmauern verbunden, zu der sie in den 30. Jahren fast den ganzen Gewinn
aus dem Restaurant verwendeten. Die weit und breit bekannte Restauration betriebt
die Familie Münzberg bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges. Nachher wechselten
hier einige "Nationale Verwalter" und im Jahre 1952 wurde der Enkel des Gründers,
Johann Karl Münzberg, zum Leiter des Restaurants, der die Restauration bis 1962
weiterführte. Vor seiner Pensionierung gab er einen Teil der Burgsammlungen
in das Städtische Museum in Rumburk (Rumburg), der überwiegende Teil der Sammlungen
ist aber nach dem Zweiten Weltkriege gestohlen worden.
Wehrmauer an der Nordseite der Burg.
Foto: Jiří Kühn.
Ende November 1977 wurde das baufällige Gebäude geschlossen. Im Jahre 1985 bekam es der Sportklub TJ Nohyb aus Prag, der es als Erholungsheim für seine Mitglieder verwendete. Die Ruine verfiel bis 1995 weiter, als die Burg und das ehemalige Restaurant in den Besitz der Stadt Jiřetín übergingen. Danach wurde mit der Renovierung des Gebäudes begonnen, so dass es den Besuchern zur Verfügung steht. Die Ruinen wurden nach und nach von Gehölzen befreit, der Innenhof von Unrat gesäubert und die notwendigsten Reparaturen an den Mauern vorgenommen. Das Restaurant wurde nach den notwendigen Umbauten wiedereröffnet und später um eine Sommerterrasse aus Holz erweitert. Die Burgruine wurde nach und nach verstärkt und das alte Gefängnis wurde in den Jahren 2012-2014 rekonstruiert. Im folgenden Jahr wurde der steinerne Bergfried gegenüber dem Restaurant instand gesetzt und auf seinem Dach eine Aussichtsplattform errichtet.
Der sanierte Turm mit einer Aussichtsplattform auf dem Dach.
Foto: Jiří Kühn.
Die Kerkerkammer mit dem gefangenen Ritter.
Foto: Jiří Kühn.
Auf den Tolštejn bezieht sich eine Reihe von Sagen über die Weisse Frau, über Raubritter und grosse Schätze. Die Sagen erzählen auch von der Walen, die in der Umgebung Edelsteine suchten, oder von einem unterirdischen Gange. der angeblich aus der Burg in eine Höhle im Míšeňský důl (Meissnergrund) führte.
Die Burg Tolštejn ist auf dem steil aufstrebenden, aus zwei herauspräparierten Phonolithschloten bestehenden Felsgipfel aufgebaut worden. Der Zugang zur Burg ist geschützt durch eine mächtige, 15 m hohe Schildmauer mit einer halbkreisförmigen Bastion, in deren Erdgeschoss sich das Verliess befand. Die Einfahrt in den unteren Burghof geschah durch einen hohen Eingangsturm mit gewölbter Durchfahrt. Angeblich stand der Turm noch in der Mitte des 19. Jahrhunderts, nachdem aber ein Teil im Jahre 1861 abgerissen wurde, blieben heute nur noch die Grundmauern erhalten. In der Turmmauer war ein in Stein gehauenes Wappen der Berken von Dauba aus dem 15. Jahrhundert eingesetzt, das jetzt im Museum in Rumburk verwahrt wird.
Vieleckige Bastion in der Nordwand.
Foto: Jiří Kühn.
Zum ältesten Teil der gotischen Burg gehören die Mauerreste am westlichen Rand zwischen Nordturm und den oberen Felsen, die durch eine Mauer mit einem Steg verbunden waren und als Wachturm dienten. Stellenweise sind noch die Überreste der sogenannten Reitertreppe zu sehen, die vom Restaurant nach Südosten führte. Ein umfangreicherer Umbau der Burg fand unter der Familie Schleinitz nach etwa 1500 statt. An der Innenseite der östlichen Verteidigungsmauer wurde ein rechteckiges Gebäude errichtet, welches mit Schießscharten versehen war. Der nördliche Teil des Hofes wurde ebenfalls mit Mauern befestigt. Innerhalb dieser Mauern wurde eine große, turmartige, mehreckige Verteidigungsanlage errichtet, die drei Schießscharten aufweist. Das erste Stockwerk sollte eigentlich eine Kapelle werden, aber die heutigen Verbundfenster wurden erst 1865 in die Wände eingesetzt, als eine provisorische Gastwirtschaft eingerichtet wurde. An der Außenseite der Festung wurde das Wappen mit dem Emblem der Familie Schleinitz über dem zentralen Portal eingemauert. Weiter westlich wurde ein rechteckiges Gebäude an die Mauer angebaut, von dessen Fenster aus man heute einen schönen Blick auf das Tal hat. In der Nordwestecke wurde an die ältere Mauer ein Turmgebäude mit einem Eingang vom Hof aus hinzugefügt. Der erste Stock beherbergte einen Rittersaal, das Erdgeschoss einen Raum mit Schießscharten und der Keller ein gewölbtes Hungerverlies mit einer Öffnung in der Decke des Gewölbes. Seit 2015 wurde der Rumpf des ehemaligen Turmes mit einer Aussichtsplattform überbaut, die einen schönen Blick nach Norden auf die Umgebung von Jiřetín pod Jedlovou bietet. Der Aussichtspunkt, welcher sich in der Nähe des Restaurants an der Ostwand befindet, ist über einen Steg von der alten Kerkeranlage aus erreichbar, in welcher ein gefangener Ritter sitzt.
Von der Oberburg am Felshang oberhalb des Restaurants sind nur noch winzige Reste des Mauerwerks erhalten. Von den obersten Felsen, die über eine Eisentreppe mit Geländer erreichbar sind, bietet sich ein schöner Blick auf die umliegenden Berge, die vom Jedlová dominiert werden, und das Tal bis nach Jiřetín, Horní und Dolní Podluží und Varnsdorf. Bei klarem Wetter sind am Horizont dahinter die fernen Hügel des Schluckenauer Hügellands und der Oberlausitz zu erkennen. Auf den Abhängen unterhalb der Burg sind die Erholungsorte Rozhled (Tollendorf) und Lesné (Innozenzendorf), die zu Jiřetín pod Jedlovou (St. Georgental) gehören, im Míšeňský důl (Meissnergrund) südwestlich unterhalb der Burg wurden unter den Schleinitzen im 15. und 16. Jahrhundert Versuche zum Abbau von Silber- und Kupfererzen betrieben. An der Südwestseite des Burgfelsens ist ein allmählich zuwachsener kleiner Teich mit Seerosen und ein Stückchen weiter unter grossen Bäumen liegt ein alter Brunnen.
Aussichtspunkt auf der Spitze des Burgfelsens.
Foto: Jiří Kühn.
Der Teich unterhalb des Schlosses.
Foto: Jiří Kühn.