Polesí
(Finkendorf)
Blick auf Polesí vom Aussichtsfelsen Havran.
Foto: Jiří Kühn.
Polesí (Finkendorf) ist eine malerische, meist als Sommerfrische dienende Siedlung, die in einem Waldtal etwa 1,5 km nördlich von Rynoltice (Ringelshain) liegt, zu dem sie heute verwaltungstechnisch gehört. Sie umfasst auch das benachbarte Černá Louže (Schwarzpfütz). Das Dorf hatte am 1. März 2001 insgesamt 77 Einwohner.
Das Dorf wurde nach dem großen Bauernaufstand, der 1680 in Nordböhmen ausbrach, auf dem Besitztum Lemberk (Lämberg) der Adelsfamilie Breda gegründet. Die verärgerten Bauern schickten eine Vertretung zu Kaiser Leopold I., doch sie fanden bei ihm keinen Anklang. Die herbeigerufene Armee schlug den Aufstand nieder. Einer der wenigen Einwohner von Rynoltice, die sich damals auf die Seite der Behörden stellten, war der Lehrer Sebastian Finke, der von den aufständischen Bauern fast zu Tode geprügelt wurde. Da er auch nach der Niederschlagung des Aufstandes im Dorf nicht sicher war, schenkte ihm die Gräfin Benedikta von Breda am 20. August 1683 ein Waldstück am Bach in der Nähe der Pechbrennerei, wo er ein Haus bauen konnte. Bald siedelten sich 3 weitere Bauern in der Nachbarschaft an, was zur Gründung einer Siedlung führte, die nach ihrem ersten Bewohner Finkendorf genannt wurde. Im Jahr 1756 lebten dort bereits 25 Bauern und Häusler.
Während der napoleonischen Kriege von 1813 versteckten sich die Einwohner vor den französischen und polnischen Soldaten in den Wäldern, entgingen aber nicht der Beschlagnahmung von Lebensmitteln, Vieh, Getreide und Stroh für die Truppen. Im Zuge der Verwaltungsreform nach 1848 wurden die Gutshöfe abgeschafft und Polesí blieb Teil von Rynoltice. Neben der Land- und Forstwirtschaft verdienten die Bewohner des Gebiets ihren Lebensunterhalt vor allem mit der Heimweberei, dem Fuhrwesen, dem Handel mit Textilwaren und dem Schmuggel, der in der Region weit verbreitet war.
Das ehemalige Gasthaus „U Budulínka“ im Zentrum des Dorfes.
Foto: Jiří Kühn.
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts zählte die Siedlung 64 Häuser mit 319 Einwohnern. Im Jahr 1907 wurde hier eine Wasserversorgung gebaut, die aus der Schwerbornquelle in der Nähe der Dreiherrenkreuzung gespeist wurde, an die Černá Louže im folgenden Jahr angeschlossen wurde. Zur Jahreswende 1910/1911 wurde Polesí von Rynoltice getrennt und bildete zusammen mit Černá Louže eine eigene Gemeinde. Das Leben im Dorf wurde maßgeblich durch die Entwicklung des Tourismus beeinflusst. Im Jahr 1912 wurde hier ein Verschönerungsverein gegründet, der ein Naturschwimmbad mit Bootsverleih errichtete. Im Jahr darauf wurde der Verein der Freiwilligen Feuerwehr gegründet, der 1919 ein Feuerwehrhaus baute, welches 1924 erweitert wurde. Viele der Einwohner verdienten ihr Geld mit der Vermietung von Zimmern, und im Dorf wurden neue Gasthäuser gebaut. Ein beliebtes Gasthaus war das "Zur Stadt Reichenberg", das 1923 um einen Anbau erweitert wurde oder das Gasthaus "Zur Quelle", welches bis zu seiner Schließung "U Budulínka" hieß. Außerdem gab es im Dorf eine Bäckerei, einen Zeitungskiosk und einen Laden. Die Menschen mussten jedoch in Rynoltice zur Schule und zur Kirche gehen. In Polesí gab es nur einen hölzernen Glockenturm mit einem Kreuz, der in den 1930er Jahren durch ein neues Betongebäude ersetzt wurde. Im Juli 1929 wurde das Dorf mit Strom versorgt. Ende 1930 hatte Polesí 71 Häuser und 347 Einwohner.
Der Teich in der Mitte der Siedlung.
Foto: Jiří Kühn.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die ehemaligen deutschen Einwohner vertrieben und neue Siedler aus Tschechien kamen nach Polesí. Ab dem Sommer 1946 kamen auch die ersten Urlauber hierher. Nach der kommunistischen Machtübernahme im Jahr 1948 wurden alle privaten Geschäfte geschlossen, und das Dorf hatte nur noch ein Schwimmbad, einen Laden, ein Restaurant und eine Zeit lang noch eine Bäckerei. Ein großer Teil der Einwohner arbeitete im Wald oder auf dem Staatsgut in Rynoltice. Viele pendelten zur Arbeit nach Liberec (Reichenberg) und später zur Uranindustrie in Rynoltice und Stráž pod Ralskem (Wartenberg am Rollberg). Die Zahl der ständigen Bewohner ging allmählich zurück, doch ab den 1960er Jahren wuchs die Nachfrage nach Ferienhäusern, so dass die Häuser weiterhin bewirtschaftet wurden. Nach der politischen Wende 1989 und vor allem nach der Grenzöffnung im Dezember 2007 wurden hier neue Ferienhäuser gebaut und die Siedlung behielt ihren Erholungscharakter. Im Jahr 2009 gab es insgesamt 90 Häuser in Polesí und Černá Louže.
Glockenturm aus den 1930er Jahren.
Foto: Jiří Kühn.
Ein denkmalgeschütztes zweistöckiges Fachwerkhaus vom Ende des 18. Jahrhunderts.
Foto: Jiří Kühn.
Gedenkstein mit Gedenktafel zum 300. Jahrestag der Gründung der Siedlung.
Foto: Jiří Kühn.
Im Ortszentrum ist ein Teich mit einem Schwimmbecken, dessen Umfeld 2012 neugestaltet wurde. In der Nähe des Teiches stand einst das älteste Finksche Haus, dessen Fundamente noch im 19. Jahrhundert sichtbar gewesen sein sollen. Unter den Bäumen an der Westseite des Teiches steht ein unscheinbarer Gedenkstein, der 1933 anlässlich des 250. Jahrestages der Gründung der Siedlung errichtet wurde und auf dem 50 Jahre später eine Marmortafel angebracht wurde.
In einer Seitenstraße etwa 150 m westlich des Teichs steht ein schlanker Glockenturm aus Beton, der in den 1930er Jahren anstelle eines älteren hölzernen Glockenturms errichtet wurde. In dem Dorf gibt es auch noch eine Reihe schöner Häuser im traditionellen Stil. Das zweigeschossige Fachwerkhaus Nr. 37 mit einem schiefergedeckten Giebel aus dem späten 18. Jahrhundert, das in einer Seitenstraße nördlich des Schwimmbads steht, ist ebenso denkmalgeschützt wie das ehemalige Gasthaus Nr. 5 mit einem Fachwerkgeschoss, das 1923 durch einen Backsteinanbau erweitert wurde sowie die eingeschossigen Fachwerkhäuser Nr. 26 und 45, die aus der Zeit vor 1843 stammen.
Der Aussichtsfelsen Havran (Rabenstein) erhebt sich über dem südlichen Rand der Siedlung am bewaldeten Rand eines Hügels.
Das ehemalige Gasthaus "Zur Stadt Reichenberg".
Foto: Jiří Kühn.