Von aufgelassenen Steinbrüchen und ihren Bildnissen
Zu den nur wenig bekannten
Erwerbsmöglichkeiten im Lausitzer Gebirge gehört das Steinbrechergewerbe. Zahlreiche
kleinere oder größere Sandsteinbrüche finden wir überall dort, wo die Bedingungen
dazu geeignet waren. Der Sandstein galt als wichtiges und leicht zu bearbeitendes
Baumaterial und wurde als solches am Fuße zahlreicher Berge oder am Rande der
Ortschaften abgebaut. Bevor es dazu kam, musste der Boden abgeräumt und der
Felsen kahl gemacht werden. Das Brechen des Steines von den senkrechten oder
schiefen Wänden erfolgte meistens stufenartig von oben her bis zur Sohle des
Felsens. An geeigneten Felswänden mit Spalten wurden riesige Blöcke auch durch
Untergrabung abgetrennt. Der Fels wurde in Handarbeit mit Keilen zertrennt.
In die Öffnungen der Keile goss man Wasser, bis die Keile anquollen und das
Gestein spalteten. Der abgetrennte Block wurde entweder mittels Brechstangen
an einen geeigneten Platz befördert, wo er im Groben bearbeitet wurde, oder
es erfolgte sein Abtransport. Der Quadersandstein diente als Baumaterial, oder
er wurde von Generationen handfertiger Steinmetze z. B. zu verzierten Türstöcken
und Fenstergesimsen verarbeitet. Härteres Quarzitgestein wurde zu Mühlsteinen
oder Schleifsteinen verarbeitet.
Die Steinbrüche der Burgruine Mühlstein,
worüber in der 5. Fortsetzung berichtet wurde, sind älter als die Burg selbst.
Auch auf der sächsischen Seite gab es bei Jonsdorf Mühlsteinbrüche, die schon
im Jahre 1578 erwähnt wurden und die noch vor dem ersten Weltkrieg in Betrieb
waren. Die Erzeugnisse wurden nach ganz Europa, samt dem zaristischen Russland
geliefert. Ebenso war das Gebiet nördlich der Lausche ab dem 16. Jahrhundert
bis 1908 ein bedeutendes Sandsteinbruchrevier.1)
Die prachtvollen Portale aus diesen Sandsteinen können wir noch heute z. B.
in Waltersdorf, Großschönau oder in Warnsdorf bewundern. Berühmt waren auch
die Steinbrüche am Trögelsberg zwischen Pankratz und Pass. Hier sind uns auch
die Namen der Steinmetzmeister und Bildhauer, welche die Portale der Reichenberger
Häuser oder der zierlichen Sockel unter den Kreuzen erzeugten, erhalten geblieben.2)
Eine Reihe kleinerer Steinbrüche arbeitete noch Ende des 19. Jahrhunderts in
der Nähe von Kreibitz, Schönfeld, Tollenstein, Innozenzidorf und Zwickau. Sie
versorgten die weitere Umgebung mit Steinmaterial unterschiedlicher Werkstoffeigenschaften
für die verschiedenen Verwendungszwecke.3)
Bedeutend muss auch der
Steinbruch am Tannenberg gewesen sein, wie man aus den mächtigen Vertiefungen,
Wällen und Halden am südöstlichen Hang schließen kann. Seinen Umfang belegt
schon eine Bestandskarte des Tannenberger Revieres aus dem Jahre 1860. Um 1900
gehörte der Steinbruch dem Steinmetzmeister Stephan Winkler,4)
der in der Zeit der Hochkonjunktur nach 1890 an die hundert Arbeiter beschäftigte.
Der Stein war wegen seiner Festigkeit als guter Baustein bis nach Sachsen bekannt
und wurde für Stiegenstufen, Tür- und Fenstergewände verwendet.5)
Wann der Steinbruch stillgelegt wurde, wissen wir nicht genau; nach 1930 wird
er als verlassen angeführt. Die übriggebliebenen gut aufgeschichteten Trockenmauern
und das Wegenetz belegen die einst nicht unbedeutende Steinbrechertätigkeit
im Tannenbergsteinbruch. Das Mikrorelief der Halden und Trockenmauern lässt
ein eigentümliches Klima aufkommen, welches das Vorkommen seltener und bedrohter
Pflanzen- und Tierarten begünstigt.6)
Auch geologisch ist der Steinbruch interessant - an den bisher kahlen Hängen
ist der platten- und bankartige Zerfall des Sandsteines erkennbar.
Unsere Aufmerksamkeit erweckt ein kleines
zierliches Bildnis eines Kindergesichtes, welches an einer niedrigen Felswand
unweit des Einganges auf der rechten Seite des Steinbruches eingemeißelt wurde.
Das Bildnis hat einen Durchmesser von ca. 25 cm. Die Einmeißelung ist leider
beschädigt. Georgenthaler Einheimische erzählten mir, dass das Bildnis ein Steinbrecher
in seiner Freizeit anfertigte.7)
Näheres ist über dieses klassizistische Bildnis nicht bekannt.
Ähnlich anonym erweist sich die Einmeißelung südwestlich vom Kleinen Schöber. Sie befindet sich oberhalb der Bahnlinie zwischen Bahnhof Tannenberg und der Station Kreibitz. Auch dieses Bildnis befindet sich in einem aufgelassenen Sandsteinbruch, den im 19. Jahrhundert Herr Winkler aus Rumburg betrieb.8) In einer etwa nur zwei Meter hohen Felswand finden wir das Zeichen eines "beflügelten" Eisenbahnrades, darunter das Monogramm FF und die Jahreszahl 1939. Etwas entfernt davon ist in älterer Schriftform die Inschrift "Jordan Born" zu sehen. Diese Quelle entspringt direkt auf der Sohle des Felsens, genauso wie die biblische Quelle, die aus dem Felsen hervorkam, als ihn Moses mit einem Stab berührte. Auf einer fürstlichen Karte vom Ende des 18. Jahrhunderts sind an dieser Stelle sogar zwei Quellen eingezeichnet und als "Jordans brünne" benannt.9)
Die dritte Einmeißelung, welche erwähnt sein soll, habe ich lange vergeblich gesucht. Der Fuß des Friedrichsberges, der heute abgeholzt ist, war vor Jahrzehnten mit hohen Fichten bewaldet. In einer Mulde zwischen dem Friedrichsbach und der Straße von Neuhütte nach Oberlichtenwalde duckt sich ein kleiner Sandsteinfelsen mit dem Bildnis einer gebückten Mädchengestalt mit einem Handkorb. Unter einem kleinen Kreuz und dem Monogramm Christi IHS ist die Jahreszahl 1812 eingemeißelt, die das Todesjahr angibt, in dem das Mädchen hier verstarb. Schriftliche Unterlagen zu diesem tragischen Ereignis konnte ich nicht finden. Die Tradition bezeichnet die Örtlichkeit als Battelmadelloch (Bettelmädelloch). Die Begebenheit soll sich in der Zeit der Napoleonischen Kriege zugetragen haben, als die hiesigen Dörfer oft unter Plünderungen durchziehenden Militärs litten. Besonders der armen Dorfbevölkerung ging es sehr schlecht, so auch einem bettelnden Mädchen, das in der Umgebung herumirrte und hier im Walde entkräftet zusammenbrach und verstarb.10) In Anbetracht dessen, dass sich neben dem Relief die Inschrift "1883 8 Steinmetzer" befindet, kann man annehmen, dass die Darstellung des Mädchens mit dem Korb wohl erst 1883 entstand. Es ist wahrscheinlich, dass diese Gedenkstelle von Steinmetzen des nahen Steinbruches besucht wurde, die sich hier auf diese Weise verewigt haben.
Verlassene Steinbrüche, in deren Felswänden sich Menschenhand verewigte, gibt es im Lausitzer Gebirge mehrere. Die Bildnisse entstanden auch meist in unmittelbarer Nähe des Steinbruches, wo Felsen zum Bearbeiten anregten. Oft handelt es sich um Werke unbekannter Volkskünstler. Es ging ihnen vielleicht weniger darum, ein Kunstwerk zu schaffen, als der "toten" Natur einen menschlichen Ausdruck zu verleihen. So entstand z. B. im Jahre 1733 Bauers Kapelle im sog. Tiefen Loch unter dem Kaltenberg, das Körnerbildnis am Hohlstein bei Zwickau oder die Flucht der hl. Familie nach Ägypten und die unweite Marienkapelle von 1704 bei Kleinmergthal. Dieses Relief wurde jedoch später ausgebessert, ähnlich wie es bei Heiligenstatuen oft zum neuen Behauen oder zur Änderung älterer Skulpturen aus den Werkstätten der Bildhauer gekommen ist. An den Felsbildnissen, die in unseren Wäldern verstreut anzutreffen sind, ist aber beachtenswert, dass sie nicht auf Bestellung eines Mäzens gemacht wurden, sondern aus purer menschlicher Schaffensfreude. So entstanden neben der schweren und zweckmäßigen Arbeit der Steinbrecher und Steinmetze beachtenswerte Werke, die der unmittelbaren menschlichen Kreativität entsprangen - einer Sehnsucht, die Landschaft mitzugestalten und ihr eine Dimension zu geben, die sie zu unserer Heimat macht.
Anmerkungen und Literatur
- Die Südöstliche Oberlausitz mit Zittau u. d. Zittauer Gebirge, S. 199. Berlin 1970.
- J. Scheybal, J. Scheybalová: Umění lidových tesařů, kameníků a sochařů v severních Čechách, S. 311-313. Ústí n. L. 1985.
- A. Hockauf: Heimatskunde des pol. Bezirkes Rumburg, S. 13. Rumburg 1885.
- K. Fechtner: Die Kaisersäule im Stadtpark. NEC, 21. Jg., S. 119. B. Leipa 1898.
- F. Hantschel: Kammweg-Führer, S. 51. Smichov 1905.
- O. Fabiánek: Starý lom u Jedlové. Děčínské vlastivědné zprávy Nr. 2, S. 35. Děčín 1995.
- Mündliche Mitteilung von Rudolf Menzel (+) aus St. Georgenthal am 21. 9. 1975.
- Siehe Anmerkung Nr. 4.
- Bestandskarten der Herrschaft Böhmisch-Kamnitz von 1794-1798, im Staatsarchiv Tetschen-Bodenbach deponiert. Die Stelle unter der Quelle ist heute versumpft und mit Erlen verwachsen. Das Bächlein durchfließt das Bahngeleis in Richtung Kreibitzer Talsperre. Oberhalb des Steinbruches sind an dem Waldweg auch zwei Wasserbehälter aus den Jahren 1910 und 1913 vorhanden.
- Mündliche Mitteilung von Albin Statzka (+) aus Morgenthau Nr. 13 im Jahre 1971 und von anderen Altansässigen.