Holzfällergedenken

Bei der Kaufmannsbuche am Sattel zwischen dem Friedrichsberg und dem Hengstberg verlässt die Alte Prager Straße die Waldstraße von Neuhütte nach Oberlichtenwalde und wendet sich südlich der Burgruine Mühlstein zu. Der historische Weg steigt anfangs leicht an, von links kommt der Hohlweg von der ehemaligen Hammermühle herauf. Dann nimmt die Steigung zu und unser Weg erreicht nach einer Linkskurve den breiten Gipfel des Hengstberges (625 m). Hier teilen sich die Wege. Wäre der Gipfel ohne Buchenwald, dann könnte man von hier ein schönes Stück Land überblicken. Im Mittelalter diente der Gipfel als ein Wachposten, ein sogenannter Hengst der Burg Mühlstein, wonach der Name Hengstberg abgeleitet ist.
Der Weg senkt sich steil bergab und führt nun schon ohne größere Höhenunterschiede direkt zu dem großen Felsen mit den wenigen Resten der Burgruine Mühlstein. Etwa 5 Minuten vorher, noch vor der Einmündung des Rasenweges von der Hammertalsperre, kam es im Jahre 1819 zu einem tragischen Ereignis. Der Holzfäller Franz Samper fällte in diesem Waldteile, der "Tunnel" genannt wurde, mit seinen beiden Söhnen einen Baum. Dieser schleuderte bei seinem Fall einen abgesägten frei liegenden Klippel empor, der beim Zurückfallen die Brust des in der Nähe stehenden jüngsten Sohnes traf und ihn sofort tötete. Als Erinnerung an dieses Unglück brachte man an einer stattlichen Fichte eine Tafel aus Eisenblech mit der Abbildung der Heiligen Dreifaltigkeit an, unter welcher folgendes geschrieben stand:

"Betracht´o Mensch, wie mir der Tod
so unverhofft tut kommen,
frisch und gesund, auch ohne Not,
mir´s Leben hat genommen.
Anno 1819 schnellt ein Baum
Ein´n Klippel in die Luft,
und führt von dieser Erde Raum
mich in die Totengruft.

Franz Samper aus Hoffnung.

(Renoviert 1832, den 8. Dezember")1)

Als ich vor dreißig Jahren diese Gedenkstelle suchte, fand ich nichts mehr. Sie lebte nicht einmal mehr im Gedächtnis der Bevölkerung. Ihre letzte Spur verschwand mit Hahnels Touristenführer aus der Zeit um 1930, als das Bild noch bestand und der Waldweg deshalb als "Bildweg" bezeichnet wurde. Ich konnte mich damit nicht abfinden. So sägte ich von einem Baumstamm einen Teller ab und schnitzte ein Kreuz und Sampers Namen darauf. Auf ähnliche Weise kennzeichnete ich damals die Gedenkstelle bei der Kaufmannsbuche. Diese Bezeichnung wurde akzeptiert, Sampers Bild hatte jedoch nicht dieses Glück und ist in Vergessenheit geraten. Wenn ich heute durch dieses Waldrevier wandere, wird mir bange. Wie ist es denn möglich, dass man einen tragischen Tod vergisst, auch wenn das Ereignis schon lange zurückliegt und einem fremden Menschen in der Abgeschiedenheit des Waldes zugestoßen ist?2)
Zu einem anderen Holzfällerunglück in dieser Gegend kam es westlich von Oberlichtenwalde unweit des Stückeberges (638 m). Hier wurde von einem fallenden Baum der Holzschläger Wenzel Roebisch, genannt "Teichwenz", erschlagen. Seine Kameraden vom Holzschlägerverein errichteten ihm dort einen kostspieligen Gedenkstein aus Sandstein, der etwa die Größe einer Menschengestalt hat. Der pyramidenförmige Gedenkstein hat einen prismatischen Untersatz, der auf einem weiteren Sockel ruht. Die Stirnseite des Obeliskes trägt folgende Widmung und einen Vers von Adam Müller-Guttenbrunn:

"Hier verunglückte bei der Arbeit im Holzschlage
Durch einen fallenden
Baumstamm
WENZEL ROEBISCH
genannt Teichwenz3)
am 14. Mai 1913.

Der Wald hat ihn genährt
der Wald hat ihn gefällt
Ein bess' rer Kamerad
ging nie von dieser Welt."

Auf ähnliche Weise ist der Text auf der viereckigen unteren Fläche ausgeführt:

"Zum Andenken an den allerseits geachteten
und beliebten Kameraden Teichwenz
errichtet vom Holzschlägervereine
mit Unterstützung von Seite
der Kaiserlichen Forstverwaltung Neuhütte
und der Gemeinde Lichtenwalde."

Die Waldabteilung, wo sich der Gedenkstein befindet, trägt auf alten Bestandskarten die Bezeichnung "Beim Toten". Als man nach dem letzten Krieg die Nummern der Waldreviere änderte, entfernte man dabei natürlich auch die deutschen Flurbezeichnungen. Trotzdem wird der Ort bei den tschechischen Forstleuten bis heute "U zabitého", also "Beim Toten" genannt.4) Gut, dass ihr Kamerad doch nicht ganz in Vergessenheit geraten ist!

Anmerkungen und Literatur

  1. Nordböhmische Touristenzeitung 1887, Nr. 7, S. 119.
  2. Am Ende fanden sich auch noch gute Leute. Nach der Veröffentlichung der Geschichte hat irgend ein Unbekannter ein kleines Holztäfelchen, auf dem er mit lieblich naiver Zeichung dieses Holzfällerunglück abgebildet hat, auf einer unweit stehende Douglasie befestigt. Unabhängig von ihm verfertigte später der Tischler Andreas Prescher aus Großschönau eine Eichenholztafel mit einer deutschen und tschechischen gereimten Inschrift. Diese Tafel wurde am Sonntag den 3. Oktober 2004 unter einer Beteiligung von etwa 50 Freunden aus Böhmen und der Lausitz an einem Buchenstamm angebracht.
  3. Die Mitglieder der Familie Röbisch wurden im Volksmunde "Teichwenz", Teichfranz" usw. genannt, weil sich auf ihrem Grundstück ein kleiner Teich befand. Dem Heimatbuch zufolge diente er bis 1750 als Hüttenteich für die in diesem Jahr aufgelassene Glashütte. (Heimatbuch der Gerichtsbezirke Deutsch-Gabel und Zwickau i. B. , S. 295. Großschönau, 2. Auflage 1998.)
  4. Mündliche Mitteilung vom Heger Novák aus Hoffnung im J. 1971.