Der Rabstein bei Hoffnung

Bei unserer Wanderung zu den Flurdenkmälern des Lausitzer Gebirges sind wir (immer im Wald) auf der Alten Prager Straße vom Tollenstein bis zur Burgruine Mühlstein gelangt. Mehr als die unbedeutenden Mauerreste erweckt unsere Aufmerksamkeit der mächtige Burgfelsen, der plötzlich vor uns aus dem Walde auftaucht. Die Quarzitklippe mit dem Felsentor, unter welchem man bequem lagern kann, zog seit jeher das Interesse der Menschen an. Schon vor der Erbauung der Burg wurde das harte Gestein abgebaut und zu Mühlsteinen verarbeitet. Darauf kann man nicht nur anhand des Burgnamens schließen, sondern auch deshalb, weil in den Mauern Reste von Mühlsteinen eingemauert waren. Wenn wir uns vom Mühlstein ostwärts begeben, können wir unter seinem Abhang die Fundamente eines Pulverhäuschens erblicken, welches einst den Steinbrechern diente. Seinen letzten Aufschwung erlebte der Steinbruch in den Jahren 1873 bis 1903. Die Firma Israel aus Dresden hat die hier gebrochenen Steine nach Hoffnung bringen lassen; hier wurden sie zu Mühlsteinen verarbeitet und über ganz Europa verschickt. Von dieser Tätigkeit lebten damals etwa sechzig Einwohner. Die Arbeit im Steinbruch wurde im Jahre 1903 für immer eingestellt.1) Heutzutage zerfallen hier im Schatten des Waldes unter Humus und Laub auch die letzten Reste des Pulverhäuschens, eingebettet in einem Teppich von Waldmeister. Auf dem ehemaligen Fahrweg, der dem Transport der Steine diente, gelangen auch wir alsbald in die kleine Gemeinde Hoffnung. Vor ihrem ersten Haus, das die Nummer 20 trägt, liegt bis heute ein großer Mühlstein.
Bald taucht vor uns ein schlanker Sandsteinfelsen - der Rabenstein - auf.2) Er ragt hoch über Hoffnung aus dem Kiefernwald heraus. Künstliche Stufen ermöglichen den Mutigeren den Zugang zum Gipfel des Felsens, wo sich seit 1833 ein Kreuz befindet. Es wurde hier von den Eigentümern der Fabrik Schicht und Wiesner errichtet. Im 19. Jahrhundert leuchtete von hier oben ins Tal eine Laterne mit einer Öllampe. Sie wurde täglich in der Dämmerung von dem Weber Josef Weiss, genannt Ducke-Seff, hierher gebracht. Er wusste sich auch an langen Winterabenden zu helfen, um das Licht hochzubringen und wieder gesund heimzukehren. Das Licht hat er regelmäßig über dreißig Jahre lang angezündet. Nach seinem Tod nahm sich niemand mehr dieser Tradition an.3) Trotzdem brannte auch noch im 20. Jahrhundert zumindest zu Ostern hier oben Licht.4) Nach dem letzten Weltkrieg ist dieser Brauch endgültig erloschen. Selbst das Gipfelkreuz hat anscheinend jemanden gestört, so wurde es abgebrochen und in die Tiefe gestürzt. Aber letztlich fanden sich doch gute Menschen, die im Jahre 1987 das Kreuz auf dem Gipfel wieder am ursprünglichen Platz befestigt haben.
Heute erscheint uns das Kreuz am Gipfel als ein Wahrzeichen einer längst vergangenen Zeit. Doch der Brauch, Kreuze auf den höchsten Punkten der Landschaft anzubringen, ist nicht ungewöhnlich. Viele Kreuze finden wir zum Beispiel in den Hochalpen auf beschwerlich zu begehenden Gipfeln. In der Neuzeit werden sie mittels Hubschrauber dorthin befördert. Auch in unserer Heimat waren die Gipfelkreuze keine Seltenheit. Es gab sie u. a. auf dem Hochwald und beim Prebischtor. Bis auf den heutigen Tag kann man ihnen am Radebeule bei Leitmeritz oder im Elbtal bei der Porta Bohemica begegnen. Der Jeschken hat seit Anfang des 18. Jahrhunderts eine Reihe von Kreuzen erlebt. Sie wurden zerstört durch Blitzschläge, Stürme oder Menschenhand. Im Jahre 1981 wurde das Kreuz am Jeschkengipfel auf Befehl des kommunistischen Bürgermeisters von Reichenberg, J. Svoboda, beseitigt. Das heutige, sechs Meter hohe Kreuz, aufgestellt am 1. Juni 1990, ist eine Nachbildung seines Vorgängers.5) Nach der Wende im Jahre 1989 wurden neue Kreuze im Isergebirge am Nussstein, am Käuligen Berge und an der Friedländer Zinne aufgestellt.6) Sie widerspiegeln eine spontane, oft unbewusste Volksfrömmigkeit und zeigen mit ihrer Vertikalen zum Himmel. Sie sind für mich eine Bestätigung, dass unser Dasein auch eine geistige Dimension hat. So lange es Menschen gibt, die uns mit Lichtern auf Bergeshöhen diese Richtung weisen und die keine Mühe scheuen, um das Zeichen des Kreuzes über uns zu errichten, so lange wird unsere Erde auch ihren Himmel tragen.

Anmerkungen und Literatur

  1. J. Weikert: Die Besiedlung des Lausche-Hochwaldgebietes. Beiträge zur Heimatskunde. Warnsdorf 1937, S. 143-144.
  2. Sein deutscher Name wurde erstmals nach 1930 ins Tschechische als Havraní kámen übersetzt. (B. Kinský: Českoněmecký místopis oblasti Lužicko-jizerské župy KČT. Liberec 1934, S. 7.) Die neuzeitlichen Landkarten sowie die Wander- und Kletterführer benutzen den Namen Křížová věž, also Kreuzturm, der von dem eisernen Gipfelkreuz abgeleitet ist. Der Balkenlager nach zu urteilen, die am Gipfel eingemeißelt sind, war das Kreuz ursprünglich aus Holz.
  3. D. Koch: Heimatkunde des Schulbezirkes D. Gabel. Zwickau um 1924, S. 123.
  4. Mündliche Mitteilung von Fr. Neumann (verst. 8. 6. 1994) aus Zwickau Nr. 278/II am 24. 4. 1971.
  5. Textteil der Wanderkarte des Jeschkengebirges 1:25 000. 1997.
  6. Am Ostermontag, dem 24. April 2000 fand auf dem Hochwald mit einem deutsch-tschechischen Gottesdienst die Gipfelkreuzweihe statt. Das 3,65 m hohe große Eichenkreuz trägt in der Mitte das Bibelzitat "Einer trage des anderen Last" in deutscher und tschechischer Sprache.