Beim Jakobi
Bevor der Bau der Kaiserstraße
über den Schöber im Jahre 1805 zu Ende geführt wurde, verband das Niederland
mit Innerböhmen die sog. Alte Prager Straße. Sie ist noch heute im Gelände teilweise
erkennbar. Die Straße kommt von St. Georgenthal und schlängelt sich am Osthang
des Tollensteines empor, steigt dann zum Wald hinab, wo sie die südwestliche
Richtung einschlägt. Rechts von ihr liegen die trichterförmigen Vertiefungen
der sog. Wolfsgruben. Dann trifft die Straße auf eine von rechts kommende, heute
kaum wahrnehmbare Abzweigung1)
von der Burg Tollenstein, um bald die Meisengrundstraße zu überqueren. Hier
trifft sie nach einem kurzen Abschnitt auf eine gepflegte Waldstraße, die von
der Meisengrundstraße rechtwinklig nach Süden zu abbiegt und bald weiter als
der sog. Meisengrundstreifen zur Schöberstraße führt. Die Alte Prager Straße
verläuft aber immer in südlicher Richtung. Sie wird zu einem alten, mit umgestürzten
Bäumen verhauenen Hohlweg, der Teufelsgraben genannt wurde. Unter dem Hanfkuchen
(676 m), der heute als Hirschenstein bezeichnet wird, wendet sich der Weg südöstlich
nach Neuhütte und weiter der Burgruine Mühlstein zu.
Es wird erzählt, dass einmal ein Bischof
diesen alten Weg mit der Kutsche gefahren kam. Im steilen Hohlweg des Teufelsgrabens
sprang plötzlich aus dem Waldesdickicht ein Hirsch vor die Kutsche. Die Pferde
scheuten, die Bischofskutsche stürzte um. Zum Andenken an diese Begebenheit
soll hier angeblich am Rand des Hohlweges eine Säule aufgerichtet worden sein.2)
Sie ist etwa 270 cm hoch, aus Sandstein und mit einer Platte gedeckt. Die Säule
steht auf einem viereckigen Untersatz mit einem einfach profilierten Sims. Auf
der Säule könnte in früheren Zeiten eine Statue gestanden haben. An der Vorderseite
des Sockels ist ein Relief, das einen sich erhebenden Hirsch darstellt, unter
welchem sich ein Mann in einem hängendem Gewand und mit einem Birett befindet.
Nach einer älteren Beschreibung hatte die Figur in der Hand ein gezogenes Schwert,
das heute kaum mehr sichtbar ist.3)
Die Geschichte vom Bischof und dem Hirsch
ist natürlich erfunden und geht auf eine, bestimmt erst im 19. Jahrhundert entstandene
etiologische Erklärung des Reliefs zurück, das offensichtlich den beliebten
Waldheiligen, den hl. Ägidius, darstellt, bei dem ein Hirsch (der vor einem
Jäger flüchtet) Schutz sucht. Bei der Heiligenfigur könnte es sich auch um den
hl. Hubert handeln, denn auch dieser wurde mit einem Hirsch als Attribut dargestellt.
Alten Forstkarten und Messtischblättern zufolge wurde die Waldflur südlich von
unserer Säule "Beim Jacobi" genannt.4)
Die Säule, oder eher ihre Vorgängerin, trug möglicherweise die Figur des Apostels
Jakobus des Älteren, des Beschützers der Pilger und Wanderer, also auch der
Reisenden, die einst die Alte Prager Straße benutzten. Die Errichtung der Säule
verdanken wir möglicherweise dem Gelübde eines reicheren Handelsmannes oder
Kaufmannes, der dort von einem Überfall oder einer anderen Gefahr bedroht war.
Die Säule entstand Anfang des 18. Jahrhunderts. Die Jahreszahl 1700 an der Seite
des Sockels wurde später angebracht, denn sie stimmt mit der Jahreszahl 1924
(die in gleicher Weise ausgeführt ist) auf der entgegengesetzten Sockelseite
überein, welche das Datum einer Renovierung angibt.5)
Der Hohlweg der Alten Prager Straße schließt
sich allmählich und wächst mit Fichten und Lärchenbäumchen zu. Schade, dass
der Zahn der Zeit auch an dem Schaft der Säule nagt, die langsam zerfällt. Aus
unseren heimatlichen Bergen wird dann auch diese letzte sichtbare Spur einer
alten Begebenheit verschwinden. Vielleicht findet sich aber auch ein Opferwilliger,
der sich dem Gelübde des Handelsmannes anschließt und die Säule retten wird?
Anmerkungen und Literatur
- Zur Zeit der Aufnahme des Messtischblattes (1934) war es noch ein regelrechter Weg, der auf dem Blatt als Alte Prager Straße bezeichnet wird, da er zu dem Straßensystem dieses alten Handelsweges gehörte.
- Schriftliche Mitteilung von Johann Münzberg aus St. Georgenthal im J. 1977.
- Dr. F. Hantschel: Nordböhmischer Touristenführer, 2. Auflage, B. Leipa 1907. Siehe auch A. Paudler: Der neue Kammweg vom Jeschken zum Rosenberge, S. 154. B. Leipa 1904.
- Messtischblatt St. Georgenthal 5153, 1:25 000, Ausgabe 1940.
- Den Anlass zur Restaurierung gab der Tollensteiner Oberlehrer Augustin Pleschke. Nach seinen Aufzeichnungen war die Säule entzweigebrochen. Ein Teil lag am Wegesrand, der andere Teil und der Kopf fehlten. Die Renovierung, welche 1927 abgeschlossen wurde, besorgte der Gebirgsverein für das nördlichste Böhmen. (Aus einer Abschrift der Chronik vom Tollenstein (S. 206), die G. Vacek, geb. Münzberg freundlicherweise zur Verfügung stellte.)