Motto: Jede Landschaft hat ihre eigene, besondere Seele (Christian Morgenstern) |
Zum Geleit
Es gibt Anblicke, die einem unvergessen bleiben. Oft sind sie mit der Kindheit verbunden, wenn man am empfindsamsten ist. Für mich ist so ein Anblick das Panorama des Lausitzer Gebirges, wie ich es täglich vom Dachgeschoss meines Elternhauses am Warnsdorfer Burgsberg sehen konnte. An den Gebirgszug, der den Blick zur Stadt hin abschließt, reihen sich nebeneinander der Tannenberg, der Tollenstein, der Hirschenstein, die Finkenkoppe, die Lausche und der Hochwald. Bei guter Sicht schaute hinter dem Zittauer Gebirge die Spitze des Jeschkens hervor. Es war ein Blick über das Mandautal, zum anderen Ufer. Die Stadt selbst interessierte mich kaum, mein verträumter Blick galt damals den Bergen.
Auf die ersten Ausflüge nahm
mich mein Vater mit. Auch er liebte die Berge, aber auf eine andere Art und
Weise. Er war ein Kind seiner Zeit - er las mit Vorliebe deutsche Klassiker
und Romantiker, die er mir oft und gern zitierte. Als jungen Burschen faszinierten
mich weder Peter Rosseger noch Adalbert Stifter, sondern das Lausitzer Gebirge
an sich. Sein großer Teil lag damals noch im unzugänglichen Grenzstreifen. Das
Verbotene war es, umhüllt mit einem geheimnisvollen Schleier von Romantik und
Nostalgie, das mich so anzog. Später wanderte ich hier mit Freunden oder allein
und entdeckte ein zauberhaftes Fleckchen nach dem anderen. Es packte mich damals
derart, dass ich an den Wochentagen in der Schulbank vom Lausitzer Gebirge träumte
und Ausflüge fürs Wochenende gründlichst vorbereitete, als handle es sich um
Expeditionen in ein entferntes, bisher unerschlossenes Land. Ich besorgte mir
alte deutsche Wanderkarten (die einzige tschechische Karte war viel zu ungenau)
und war auf der Suche nach heimatkundlicher Literatur. Auch hörte ich gerne
alten Leuten zu, die packende Geschichten aus der Vergangenheit zu erzählen
wussten. Damals lebten noch einige Deutsche, die vor dem Ersten Weltkrieg geboren
waren. Es kam mir vor, als gehörten sie einer anderen Zeit an. Nach und nach
freundete ich mich mit Franz Neumann, einem Glasfachmann aus Zwickau, mit Albin
Statzka aus Morgenthau, dem Tollensteiner Gastwirt Münzberg, dem "Sieber - Schuster"
aus Wolfsberg und den Brüdern Bienert aus Schluckenau an, um nur einige zu nennen.
Heute ist von ihnen niemand mehr am Leben. Zum Glück hielt ich ihre Erzählungen
fest, verglich sie mit den Gegebenheiten im Gelände und mit heimatkundlicher
Literatur.
Mit einigen dieser Themen, die mich besonders
beeindruckten, habe ich mich weiter beschäftigt. Die Flurdenkmäler des Lausitzer
Gebirges habe ich sogar auf eine Folie niedergeschrieben und für Freunde vervielfältigt
(andere Kopiertechniken oder gar Publikationsmöglichkeiten standen uns damals
nicht zur Verfügung). Eigentlich hatte ich aber nie das Gefühl, dass sich jemals
jemand dafür interessiert hätte. Mich leitete vielmehr ein jugendlicher Drang
etwas zu erforschen, zu ergründen und zu bewahren, was neben uns still in Vergessenheit
geriet, was jeden Moment unwiderruflich entgleiten konnte.
Es freut mich, dass ich nach einem Vierteljahrhundert
diese Geschichten auch mit jenen Lesern teilen kann, deren Ausflüge in der Kindheit
mit den heimatlichen Bergen verknüpft waren und die vielleicht auch heute noch
ihre Gedanken dahin schweifen lassen. Mögen ihnen meine Texte ein guter Begleiter
sein.